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Heros Besitzerin ist in den Ferien – ich hole Hero also heute selbst von der Weide, putze und sattle ihn und wir gehen in die Reithalle. Hero ist ein spanischer Mustang, ein Abkömmling der Sorraia-Pferde, ein sehr ursprüngliches Pferd mit einem starken Willen.

Hero hat klare Vorstellungen – Zwang mag er nicht, gaaar nicht

Er kommt aus den USA und ist in grosser Freiheit aufgewachsen. Er kam mit einer Bänderverletzung nach Europa – möglicherweise vom Transport –  und es war eine längere Reitpause notwendig. Aber er wurde wieder einsatzfähig. Seine Besitzerin arbeitete mit mehreren Fachleuten zusammen, um Hero sorgfältig wieder aufzubauen und sie bei der Ausbildung ihres ersten eigenen Pferdes zu unterstützen. Eine davon bin ich.

Zuerst entwickelt sich alles gut

und ich erinnere mich noch lebhaft an unseren entspannten Galopp unter den kirschenbehangenen Bäumen im Sommer. Aber dann:

Irgendwann wurden ihm die erhöhten Anforderungen und wohl auch die vielen verschiedenen Menschen zu viel und er begann, stehenzubleiben und zu bocken.

Hau ab da von meinem Rücken

Die Bereiterin sass fest im Sattel, die wurde er nicht los – wohl aber ging die Harmonie – soweit sie vorhanden gewesen war – flöten. In der Folge fing er an, jeden Reiter loswerden zu wollen. Bei den weniger geübten gelang das auch.

Der Frust auf allen Seiten war gross, die Blicke der Besserwissenden sprachen Bände und da und dort wurde gemunkelt – wie das in Reiterkreisen so geht.

Zurück zum Start

Die Besitzerin entschied sich für: Zurück zum Start und wir vereinbarten eine Umstellung des Trainings.  Ansprüche  und Erwartungen zurückschrauben mit dem Ziel, die freiwilllige Kooperation von Hero zurückzugewinnen. Wir begannen damit, ihn frei laufen zu lassen – ohne Halfter ohne alles – und mit ihm so frei zu arbeiten. Darauf liess er sich immer besser ein.

Heute also wiedermal reiten

Heute also, die Besitzerin ist wie gesagt in den Ferien, ist es an mir, wiedermal zu reiten. Ich hatte ihn seit der Krise ein paar mal geritten, immer nach der Devise, ich kämpf nicht mit Dir, versuche aber, Dich dazu zu bringen, dass Du machst, was ich möchte. Das funktionierte leidlich, Hero stoppte immerwieder abrupt, wollte im Trab wieder mit buckeln beginnen und es war einfach keine rechte Losgelassenheit entstanden.

Inspiriert von einem Gespräch über Mark Rashid und seinen Wallach Buck, beschliesse ich heute, es mal anders zu versuchen.

Den Spiess umdrehen und nicht versuchen, Hero zu manipulieren, sondern ihn als den „Maestro“ behandeln, der mich unterrichtet?

Nun, er scheint einverstanden zu sein, dass ich aufsteige, stellt sich ganz von allein parallel zum Aufsteigetreppchen. Ich steige auf. Es fühlt sich an wie auf einer kleinen Bombe, die sich noch nicht ganz entschlossen hat, zu explodieren.

Ich stelle fest, dass auch ich angespannt bin – so stehen wir nun mitten in der Halle und ich atme tief ein, danach in 3 bewussten „Portionen“ aus um mein parasympathisches Nervensystem zu aktivieren. Das ist dasjenige, das aktiv ist, wenn alles o.k. ist.

Gedankenkarussell

Das Atmen funktioniert gut, nur geht jetzt ein Gedankenkarussell in meinem Kopf los: was wenn H. sich die ganze Stunde nun nicht in Bewegung setzt? Was wenn uns jemand sieht? Wird die jetzt schon dafür bezahlt mit dem Pferd in der Halle herumzustehen?

Es fällt mir unerwartet schwer, nicht auf Hero einzuwirken.

Minuten können gnadenlos lang sein – es hilft mir, das Ganze als Experiment zu betrachten. Ich entspanne mich zusehends, wir haben noch viel Zeit, mindestens 40 Minuten.

Irgendwann macht Hero den ersten Schritt, dann noch einen. „Super – ein feiner Bursche!“ Sofort stoppt er wieder – „hör auf zu bewerten, unterteile nicht in Laufen ist gut, stehenbleiben ist schlecht“ meine ich von ihm zu „hören“. Verstanden Maestro.

Und wir stehen wieder. Das ist ja genausogut wie laufen. Hab ich soeben erfahren. Atmen.  Irgendwann bewegen wir uns in flüssigem entspanntem Schritt. Hero schnaubt und ich glaube zu fühlen, dass er noch nie so entspannt unter mir in der Halle gelaufen ist – im Gelände schon. Ach wie schööööön!

Ich mische mich wieder mehr ein, fange an Ecken auszureiten, setze danach sofort wieder aus mit jeglichen Hilfen um den Fluss nicht zu unterbrechen. Noch ist er zu zart.

Er läuft – ganz ohne Überzeugungsarbeit

Ob wir auch einen Trab hinkriegen? Meister was sagst Du dazu? Ist das vermessen? Versuchen wirs? Na komm – TRAB!

Hero trabt an – ziemlich rasch ist er unterwegs, der Kopf kommt hoch – naja, im Trab haben wir sie noch nicht, die schöne Losgelassenheit. Aber dennoch keinen plötzlichen Stop des Maestros.

Ich finde, das Experiment ist gut gelungen. Hero gefällt es ausnehmend gut, als Meister angesprochen zu werden, scheint mir jedenfalls. Auf diesem Weg experimentieren wir bestimmt noch weiter.