fbpx

In diesem Artikel gebe ich – wie immer – meine ganz subjektive Ansicht und meine Gedanken wieder, die mir bei der Betreuung der über 30 völlig unterschiedlichen Pferde auf unserer Weide durch den Kopf gehen. Ich bin mir bewusst, dass die Ansichten zu diesem Punkt weit auseinandergehen. Viele denken, dass Pferde unter sich am glücklichsten sind und Menschen gar nicht brauchen.

Mit „brauchen“ meine ich hier nicht das zur Verfügung stellen der Lebensgrundlagen wie Futter, Wasser, Artgenossen, Bewegung, Luft, Licht. Sondern ich meine damit die Interaktion mit dem Menschen.

Was wollen Pferde?

Bei Hunden hat man ja festgestellt, dass Welpen in einem gewissen Alter den Kontakt zum Menschen dem Kontakt zu ihren Geschwistern vorziehen. Soweit gehen Pferde meiner Erfahrung nach selten, aber sowohl als auch, das hätten sie gerne.

Ich erlebe auf unserer Weide auch die „Bring mir Futter und lass mich im übrigen in Ruh“-Typen. Allerdings sind das durchs Band ältere Pferde, die lange „im Dienst“ der Menschen standen. Zwei davon Ponies.

Sie sind Alterspensionäre und wir wollen nichts von Ihnen, ausser dass es ihnen gut geht – sie stehen bei uns auf grossen Weiden mit Unterständen und mampfen und leben einfach in der Herde. Und wisst ihr was dann passiert? Wenn sie das irgendwann merken, dass wir nichts von ihnen wollen und sie auf Distanz gehen können wann immer sie wollen?

Sogar die grössten Sturköpfe möchten Aufmerksamkeit

Dann fangen sie irgendwann an, die menschliche Nähe doch wieder zu suchen. Kommen kurz vorbei, holen sich ihre kleinen Streicheleinheiten und ihren Zuspruch und verkrümeln sich wieder. Oder laufen uns eine Weile nach. Oder geniessen plötzlich, geputzt zu werden auch wenn sie es vorher nur erduldet haben. Ein Stück Misstrauen bleibt, so ist es nicht, dass das ganz verschwindet, jedenfalls nicht so rasch – ich rede hier von Jahren. Aber es gab bisher noch kein einziges Pferd, dass nicht sein anfänglich distanziertes Verhalten von selbst abgelegt hat.

Ich schliesse daraus, dass auch unsere Haus-Pferde auf Menschen bezogen sind, nicht so sehr wie Hunde, aber doch deutlich mehr als zum Beispiel die Lamas, die sich auf den Nachbarsweiden tummeln.

Woran könnte das liegen?

Obwohl die Domestikation der Haus-Pferde nach Annahme der Archäologen erst vor 5500 Jahren begonnen hat, also Jahrtausende nach dem Schaf, der Ziege und dem Rind, ist in dieser Zeit viel Veränderung passiert.

Übrigens haben die genetischen Forschungen ergeben, dass unsere Pferde nicht vom einzigen heute noch existierenden Wildpferd, dem Przewalskipferd (Equus ferus przewalskii) abstammen, sondern von Wildpferdeformen, die alle bereits ausgestorben sind. Wen’s interessiert: Wildpferde

Dazu ein Abschnitt aus einem Artikel in „Bild der Wissenschaft“:

„Genetische Veränderungen machten zahm

Den weiteren Analysen zufolge spiegelt sich die Zuchtauswahl durch den Menschen in interessanten genetischen Veränderungen wieder. Es handelt sich dabei um Gene, die eine Rolle bei der Motorik und Leistung der Tiere spielen. Dadurch wird deutlich, wie der Mensch die körperlichen Eigenschaften der Pferde für seine Zwecke optimierte. Darüber hinaus wird der Zähmungsprozess offenbar an Genveränderungen deutlich, die Erbanlagen betrafen, die mit dem Verhalten zu tun haben: Lernfähigkeit, Angstreaktionen und Sozialverhalten. Sie machten die eigentlich scheuen Wesen für den Menschen besser zugänglich, sagen die Forscher.“

Zugänglich heisst was?

Pferde lassen sich nicht nur berühren und reiten, fahren und so weiter. Ich bin überzeugt davon, dass viele Pferde eine sehr enge Verbindung zu „ihrem Menschen“ eingehen. Oft bemerken wir das nicht so, weil sie es nicht so auffällig kundtun wie zum Beispiel Hunde, die ihre Leute freudig begrüssen. Manchmal fragen mich Pferdebesitzer, die ihr Pferd auf der Altersweide nicht so häufig besuchen: Denkst Du, er/sie kennt mich noch? ja loooogisch tut er/sie das.

Aber ein Pferd ist ein Pferd – es kommuniziert mit uns ähnlich wie mit seinen Artgenossen – pferdisch; plus das, was es gelernt hat. Pferdisch ist bis auf wenige Ausnahmen eine sehr leise und eher unauffällige Sprache.

Und auch eine Sprache, die in den wenigsten Reitställen unterrichtet wird. Da geht es schliesslich wie der Name schon sagt, in erster Linie ums Reiten und nicht um die Pferde. Sonst hiessen sie wahrscheinlich Pferdeställe. Aber dies nur als Wortspielerei am Rande.

Meine kühne These

Ich denke und fühle es so, dass Pferde gerne mit Menschen zu tun haben – solange es ihnen nicht verleidet wird. Es scheint ihnen irgendetwas zu bringen – ich rede jetzt nicht vom Leckerli in der Tasche – weil das Verhalten von Lebewesen immer darauf ausgelegt ist, dass es dem Lebewesen einen Vorteil verschafft.

Meine kühne These dazu ist, dass die nähere Begegnung mit Menschen dem Pferd Erfahrungen ermöglicht und damit Entwicklungen, die in reiner Pferdegesellschaft nicht möglich sind. Pferde mögen es, von Menschen mit freundlichen Gedanken, Worten und Gesten bedacht zu werden. Es ist ihnen wichtig. Eigentlich erstaunlich.

So komme ich zum Schluss, Pferde brauchen den Menschen nicht als Gesellschaft – da gehören Artgenossen her, aber als Sahne auf der Torte für ein interessantes Leben und ihre geistige Entwicklung sind sie sehr willkommen.

Solange die Sahne nicht ranzig wird.

Was meint ihr zu dem Thema? Ich bin gespannt auf Eure Kommentare.