fbpx

Emeraude Siglavy Elf und Epi Favory Elfes – genannt Tari

Eigentlich wollte ich mich entlasten, mehr Zeit haben für den Aufbau meiner Selbstständigkeit, Entlastung in Haushalt und Stall.

Weil mein mittlerer Sohn Jan in eine eigene Wohnung gezogen war, hatten wir ein freies Zimmer und ich kam auf die Idee, eine Praktikantin zu suchen. Den halben Tag würde sie sich in Haushalt und Garten nützlich machen können, den anderen halben Tag bei den Pferden. Soweit der Plan.

Für die Praktikantinnen-Stelle bewarb sich ein junges Mädchen; sie war mir auf Anhieb sehr sympathisch. Von Pferden hatte sie zwar noch nicht viel Ahnung aber sie war ihnen offensichtlich sehr zugetan, den Hunden ebenfalls – und anpacken konnte sie auch.

Sie sprach offen darüber, dass sie eine Borderline-Diagnose habe und die meiste Zeit – seit ihrem 12. Geburtstag – in psychiatrischen Einrichtungen gewesen war. Jetzt gehe es ihr aber besser, und der Kontakt zu Tieren, die frische Luft und die körperliche Arbeit tue ihr gut. Selbstverständlich hatte sie psychiatrische Betreuung.

Wir vereinbarten einen Monat Probezeit mit Andrea.Im Februar kam sie und ich schloss sie rasch in mein Herz. Ihre Arbeit machte sie gut, ich genoss es, mit ihr zu sprechen. Sie war sehr aufgeweckt und wir schmiedeten Pläne.

Glück mit Pferden

Andrea liebte die Pferde und vor allem unseren älteren Lipizzaner „Orion“. Reiten lernte sie im Nu – ich war sehr erstaunt über diese Begabung. Bald fragte Andrea mich, ob sie für ein spezielles Pferd – bei uns auf der Weide stehen rund 30 Pferde – Verantwortung übernehmen dürfe. Ich dachte sofort, dass dies eine gute Idee sei, allerdings waren unsere eigenen Pferde durchweg alle dafür nicht geeignet. Sei es, dass es das Herzenspferd von mir, meinem Mann oder unserer Tochter ist – oder aber von ihrer Persönlichkeit her zu schwierig für eine Anfängerin, wie Andrea.

Die Seite auf Facebook, „Schlachthaus der Lipizzaner“, hatte ich natürlich schon lange entdeckt. Aber man kann ja nicht überall Pferde retten… Es gibt Tausende, für die es sich lohnte. Dennoch ließ es mir keine Ruhe und ich „musste“ seit Dezember 2014 immer wieder die Bilder dort anschauen.

Nun entstand in meinem Kopf die Idee, dass so ein Fohlen vielleicht das Richtige für Andrea wäre. Sie könnte es pflegen und ihm das kleine Einmaleins für junge Pferde näher bringen und bis es groß wäre, würden wir wissen, ob Andrea der Aufgabe überhaupt gewachsen wäre und ob dieses Pferd dann auch zu ihr passte.

Falls ja, könnte sie es dann übernehmen als ihr eigenes Pferd. Und wenn nicht, dann würden wir weitersehen, nach anderen Möglichkeiten suchen. Jedenfalls wäre das Pferdchen auf diese Weise gerettet und Andrea mit einer sinnvollen Beschäftigung beauftragt. Sicher, sie müsste viel Verantwortung übernehmen – unter Anleitung selbstverständlich.

Aber leider nur kurz

Dann zeichnete sich Andreas erster Zusammenbruch ab und sie musste wieder in die psychiatrische Klinik. Ich nahm mit ihrem Vater sowie mit dem Psychiater Kontakt auf. Beide hielten den Pferde-Plan für eine gute Möglichkeit und sahen darin eine Chance für Andrea. Ich fand sogar innerhalb kurzer Zeit genügend Paten, die den Unterhalt des kleinen Pferdchens für ein Jahr zu finanzieren bereit waren.

Die Zeit drängte nun, es war schon Ende März und Ende April würde die Frist für die Pferde auf der „Schlachthausseite“ ablaufen – falls es keine Verlängerung geben würde. Und weil Andrea noch in der Klinik war, musste ich das ihr zugedachte Pferd selbst aussuchen. Anhand der Fotos entschied ich mich für „Emeraude“ und bezahlte sie auch gleich.

Dann kam der Anruf von Andrea, sie dürfe nicht nur, sie müsse sogar die Klinik verlassen. Das sei Bedingung innerhalb eines speziellen Programms für Borderline-Patienten, und dies wolle sie im Sommer besuchen. Der Hintergrund sei, zu beweisen, dass man „draußen“ bestehen könne, und nach Hause, zu Vater oder Mutter – das ginge nicht. Andrea fragte, ob sie zu uns kommen dürfe, also so ganz und nicht nur an vier Tagen pro Woche. Ich sagte ja, und das von ganzem Herzen, knüpfte diese Entscheidung allerdings an die Bedingung, dass sie dann hier zu einem Psychiater gehen würde. Klar – das würde sie tun.

So entstand unerwartet die Möglichkeit, doch mit Andrea nach Südfrankreich zu fahren, wie ich es mir ursprünglich vorgestellt hatte. Ihr Vater war bereit, mitzukommen. Er ist Chauffeur und so konnten wir uns beim Fahren abwechseln.

Ich gab auf Facebook im „Elfenhain“ bekannt, wann wir fahren würden und dass wir noch Platz hätten für ein oder mehrere weitere Pferdchen. Eine Schweizerin meldete sich, für die wir ihre „Endora“ mittransportieren durften – sehr gut, dann wäre „Emeraude“ schon nicht allein auf dem Transport.

Danach meldete sich Michelle, die ein junges Pferd freikaufen wollte. Michelle wohnt ganz in unserer Nähe, es bot sich also an, dass auch sie uns begleitete.

So fuhren wir am Mittwoch, 8. April 2015 los und kamen nach der langen Fahrt ziemlich zerknittert auf der riesigen Anlage an. Weil wir alle die Facebook–Seite aufmerksam verfolgt hatten, erkannten wir die Zuchthengste in den Boxen ziemlich rasch. Ah – da waren sie. Wir bewegten uns in einer großzügigen Anlage mit U-förmigem Boxentrakt. Da schauten noch so einige Köpfe aus den Boxenfenstern.

Und während wir da weiter entlangschlenderten – da sah ich ein Gesicht. Und diese Augen! Sie drückten so etwas Weises aus und etwas sehr Liebevolles. Und ich liebe ja Ramsköpfe! Der Blick ins Innere der Box jedoch ließ mir das Blut gefrieren.

Da geschah es – einmal zu tief in seine Augen gekuckt

Ich sah ein sehr mageres Pferdchen mit einer Verletzung am linken Hinterbein. Alles war stark geschwollen und das Bein hielt es seltsam nach außen gedreht. Betroffen ging ich weiter. Aber dieses Pferd hatte mich tief im Herzen berührt.

Von Heidi wurden wir gleich zu einem wunderbaren warmen Nachtessen empfangen, das uns richtig gut tat. Danach gingen wir in die große Laufhalle, wo „Emeraude“ und „Endora“ zusammen mit „Eltanin“, die für Michelle provisorisch reserviert war, bereits von den anderen Fohlen separiert waren.

Oh, waren die klein und zerbrechlich. Und scheu. Wir versuchten, Kontakt zu ihnen aufzunehmen, aber es wurde schon dunkel. Ich hatte „Emeraude“ gesehen und mir war für einen Moment so, als ob sie aus den anderen Pferden herausleuchten würde. Ich kenne das Phänomen, so war es mir auch ergangen, als ich meine Windhündin „Luriza“ am Flughafen in Frankfurt zum ersten Mal gesehen hatte. Es war, als wäre für einen Moment nur sie da gewesen, alles andere trat in den Hintergrund. Und „Luriza“ ist meine Prinzessin – deshalb war ich mir sofort sicher, dass ich das richtige Pferdchen bezahlt hatte. Hinten rechts schien sie eine etwas verkürzte Sehne zu haben, jedenfalls war das Fesselgelenk auch bei Belastung immer noch vorbiegig. Die Hinterhufe waren sehr lang und sogar gespalten, anfassen unmöglich. Aber das würden wir hinbekommen. Alles. Sie würde eine wunderbare Stute werden.

Alles war sehr spannend und aufregend – wir würden für neue Eindrücke und die Pferdeauswahl noch den ganzen folgenden Tag Zeit haben. Als es dunkel wurde gingen wir deshalb ins Haus zurück. Dort lernten wir auch Klaudia kennen. Mir wurde sehr bewusst, unter welchem immensen Druck die Frauen hier vor Ort arbeiteten. Klaudia beantwortete noch bis spät in die Nacht hinein Nachrichten über Facebook. Auch fiel ihr ein Stein vom Herzen, als klar wurde, dass die Besitzerin von „Endora“ und ich vom selben Transport gesprochen hatten, der „Emeraude“ abholen würde. Sie hatte nämlich schon befürchtet, dass „Emeraude“ vielleicht doppelt versprochen gewesen wäre. Gar nicht so leicht, eine klare Kommunikation über Facebook-Nachrichten…

Der Tag der Entscheidungen

Am nächsten Morgen setzten sich Andrea und Michelle zu den kleinen Stuten. Für Michelle war es rasch klar, dass „Eltanin“ nicht das Pferd ihrer Wahl sein würde. Für „Eltanin“ gab es jedoch noch eine andere Interessentin und mit einem Telefonat in dieser Angelegenheit klärte sich das Thema. Wir würden „Eltanin“ für eine befreundete Familie mitnehmen und Michelle würde sich ein anderes Pferd aussuchen. Die Geschichte von „Eltanin“ trägt im Buch den Titel: „Von Meteoriten, Sternschnuppen, Seelenpferden“.

Andrea sass lange bei den kleinen Stuten – mindestens zwei Stunden, während ich mit Heidi zum Einkaufen fürs Mittagessen fuhr und Michelle sich auf die Suche nach ihrem Pferd machte.

Als ich zurück kam, ging es sowohl Michelle als auch Andrea nicht so gut. Michelle hatte noch nicht gefunden was sie suchte und Andrea war todunglücklich. Auf meine Frage, was denn los sei, rückte sie heraus mit der Sprache. Sie fühle zu „Emeraude“ keinerlei Verbindung, sagte sie und habe ein fürchterlich schlechtes Gewissen, weil sie ja wisse, dass ich die ganze Aktion vor allem für sie gestartet habe.

 

Dann die bange Frage: Könnten wir „Emeraude“ auch umtauschen, und das obwohl sie bereits bezahlt war? Ja, wir könnten, sagte Klaudia, kein Thema. Papiertechnisch gesehen kein Problem – für mich aber sehr wohl.

Houston – we have a problem

Ich griff zum Telefon und rief zu Hause an: „ Wir haben hier ein Problem“. „Damit habe ich schon fast gerechnet“, sagte mein Mann. Ich schilderte ihm „Emeraude“ und meinen Eindruck von ihr. Neben meinem Gefühl, dass sie da herausleuchten würde – was körperlich ganz bestimmt nicht der Fall war – machte ich mir Sorgen, dass sie es mit ihrem rechten Hinterfüßchen und ihrer sehr zurückhaltenden und auch etwas kapriziösen Art schwer haben könnte, gut unterzukommen.

Erwin, meinem Mann, war rasch klar, woher der Wind wehte…. Ich würde nun also zwei Fohlen mitbringen…. Er war alles andere als begeistert. Schließlich sagte er aber: „Tu, was Du für richtig hältst.“

Was mein Herz für richtig hielt war ja klar. „Emeraude“ würde mitkommen. Allerdings hing unser Familiensegen wegen dieser Entscheidung dann noch eine Weile schief.

Mit Andrea hingegen führte ich ein langes Gespräch in dessen Folge wir einen schriftlichen Vertrag aufsetzten. Sie würde sich heute ein Pferd aussuchen – Bedingung: eines der E-chen – und sie verpflichtete sich, uns den Kaufpreis zurückzuerstatten und nach Ablauf eines Jahres für den Unterhalt des Pferdes aufzukommen, was auch in Form von Arbeit möglich wäre. Ansonsten hätten wir das Recht, das Pferd weiterzuverkaufen.

Andreas Vater war auch einverstanden und sagte seine Unterstützung zu. Nun galt es also, zwei Pferde auszusuchen, eines für Michelle, eines für Andrea.

Klaudia musste mehrmals anhand der Beschreibung und dem Vergleich mit den gemachten Fotos im Laptop herausfinden, welches dieses oder jenes Pferd war und ob es bereits auf der Reserviert-Liste stand. Michelles Suche war anfangs gar nicht so einfach – davon erzählt sie in ihrer Geschichte in diesem Buch „Ein schicksalhafter Moment im letzten Augenblick“.

Andrea fand ihren „Easy“, nachzulesen im Text unserer Tochter Lia Wälti in der Geschichte „Meine Mutter spinnt“ und ausserhalb des Buches auch hier .

Der Auftrag 

Für mich blieb an diesem Tag noch ein Auftrag zu erledigen: Eine inzwischen liebe Freundin – mir damals noch völlig unbekannt – hatte per SMS angefragt, ob ich in Frankreich einen Blick auf „Delphe“ werfen könne, eine fast zweijährige Stute. Ich solle ihr dann berichten, welchen Eindruck das Pferd auf mich mache.

So lag ich also Heidi, die uns auf dem Gestüt betreute, mit meinem Anliegen in den Ohren: „Ich muss unbedingt noch „Delphe“ sehen, wo steht sie?“

Da Heidi nicht sicher war, ob die Boxen richtig beschriftet waren, bot sie an, mir „Delphe“ zu zeigen. So gingen wir gegen Mittag gemeinsam mit Michelle zu dem Stalltrakt bei der offenen Reithalle, in dem wir als erstes gleich nach unserer Ankunft waren. Hinter dem Stall stand ein Roundpen und darin sahen wir das verletzte Fohlen vom Vorabend zusammen mit einem viel kleineren Kollegen, der an beiden Hinterbeinen eine Fehlstellung hatte. Bei den Beiden hielt sich eine Französin auf, etwas älter schon. Sie versuchte, die Pferdchen ein wenig zur Bewegung zu animieren so gut es eben ging. Die beiden Damen, Heidi und die ältere Französin, führten in Französisch ein Gespräch, dem wir entnahmen, dass eines der Pferde „Epi“ sein musste.

Epi’s Name hatte auf Michelles Favoritenliste gestanden, auch wenn seine Bilder in der Zwischenzeit aus Facebook verschwunden waren – und wir hatten ihn bis dahin vergebens gesucht.

Ich fragte die Französin, ob die beiden Zusatzfutter bekämen. Ja doch, etwas Getreide. Michelle durfte dann mit einer gefüllten Futterschüssel zu den beiden in den Roundpen und „Epi“ sowie „Eskimo“ kamen zaghaft auf sie zu, um zu fressen. Ich hatte mich nun vollends in den grösseren „Epi“ verguckt und hätte ihn am liebsten mitgenommen. Ich fand, es sei ein faires Angebot, dass ich versuchen würde, ihn aufzupäppeln und ihn dafür gratis bekommen würde.

Doch beides war nicht möglich, denn erstens sollte er genau gleich viel kosten wie jedes andere E-Elfchen auch und zweitens war er nicht transportfähig.
Er würde den langen Transport gar nicht überstehen, hatte der Tierarzt gesagt, und das leuchtete mir ein. So verließen wir am Abend Realville mit fünf E-Elfen für
fünf verschiedene Besitzer – aber ohne „Epi“.

Das letzte Stück durch die kurvigen Elsässer Straßen war dann zu viel für „Emeraude“, sie legte sich hin. Auf unserer Pferdeweide Al Nour angekommen vergingen einige bange Minuten, in denen ich mir für einen Moment unsicher war, ob sie je wieder aufstehen würde. Sie lag da wie erstarrt, bewegte sich auch nicht, als ich sie berührte, und erst als die anderen vier Pferde schon ein Stück weiter weg waren, sprang sie plötzlich auf, schüttelte sich und trabte hinterher auf den Reitplatz.

Zum Glück war das Wetter warm und die Fünf genossen in der nächsten Zeit das reichliche Futter und die Sonnenstrahlen und schliefen sich gründlich aus.

43a Antoinette_Emeraude

1 Antoinette mit Prinzessin Emeraude an der Heuraufe – Mähne kraulen mag sie mittlerweile sehr
2 Emeraude hat irgendwie immer irgendwelche Halme in der Mähne und einen Schlafzimmerblick
3 Emeraude kurz nach ihrer Ankunft – klein aber oho

Ohne Epi???

Und „Epi“? Er ließ mir keine Ruhe. Ich hatte ihm zum Abschied so etwas wie: „Es wird alles gut“, zugeflüstert. Warum hatte ich das getan? Wie kam ich dazu? Es gab ja Gründe, denn ich hatte auf dem Roundpen nicht nur ein Pferdchen in einem jämmerlichen Zustand gesehen. Ich hatte in ihm ein wunderschönes Pferd gesehen: Die lange schräge Schulter, diese Haltung – trotz allem. Ich sah ihn vor meinem inneren Auge als ausgewachsenes, stolzes Pferd, dachte, dass er eine Chance hat, gesund und stark zu werden.

Ich zermarterte mir das Hirn, um eine Lösung für Epi, später Tari, zu finden. Am besten in der Nähe des Gestüts, damit er nicht so weit transportiert werden musste? Ein Ort, an dem er sich erst noch weiter erholen könnte, und dann würden wir weiter sehen. In unregelmäßigen Abständen rief ich die Französin an, die sich um die beiden Sorgenkinder kümmerte und fragte nach deren Befinden. „Mieux“, war ihre Antwort jeweils, „besser“. Ich telefonierte und schrieb, kramte mein Französisch zusammen, ohne Erfolg. Nun blieb nur noch beten. Dann kam ich zu dem Schluss, nichts mehr weiter für ihn tun zu können, ich musste ihn seinem Schicksal überlassen. In Gedanken sprach ich mit ihm, gestand ein, dass ich anscheinend doch nichts für ihn tun könne, von wegen meines Versprechens „alles wird gut“.

Ich betete um eine gute Lösung für ihn – denn ich war ja nach wie vor davon überzeugt, dass er zu einem prachtvollen weißen Pferd mit wallender Mähne heranwachsen würde. Auch wenn er zu dem Zeitpunkt noch weit davon entfernt zu sein schien. Wir lachen auch heute noch über die Zotteln, die eines Tages zu einer wallenden Mähne werden sollen. Aber ich greife den Ereignissen vor. Nun kam das Wunder ins Spiel.

Ein wundervolles Wunder

Ich versuchte, „Epi“ zu „vergessen“, ihn loszulassen und mich aus meiner selbst gewählten Verantwortung für ihn zu entlassen. Ich kenne ja so einige Techniken. Es half – naja, ein bisschen.
Dann läutete mein Handy. Ich weiß noch genau, dass ich oben im „Bubenstall“ bei „Easy“ und „Electron“ stand. Die Mama von Michelle war am anderen Ende und fragte mich, wie es diesem Pferd gehe, „Epi“. Sie und ihre Töchter würden oft an ihn denken und es wäre grauenhaft für sie, wenn er es nicht schaffen würde. Wenn ich eine Möglichkeit hätte, ihn freizukaufen, würden sie sich finanziell daran beteiligen. Oh…

Dann ereilte mich dasselbe Angebot von einer mitfühlenden Kundin – ich habe wohl sehr viel über „Epi“ erzählt. Zu guter Letzt gesellte sich eine liebe Freundin hinzu, hier sogar mit der Überlegung, ihn später bei gegenseitiger Sympathie ganz zu übernehmen. Ups…

Ich hatte nicht danach gefragt gehabt, doch jetzt wuchs meine Nervosität wieder ins Unermessliche. Okay, den Rest der Summe würde ich aufbringen. Ich hatte mich lange innerlich dagegen gewehrt, für ein Pferd in einem solchen Zustand diesen Preis zu zahlen. Aber dann fiel mir ein Spruch meines Vaters ein:

Die sollen schlecht schlafen – nicht ich!

Ich wusste, dass ich es mir nie verzeihen würde, wenn ich das Leben dieses Pferdes, in das ich mich aus unerfindlichen Gründen unsterblich verliebt hatte, einem selbstgewählten Prinzip unterordnen würde. Und so kauften wir ihn gemeinsam frei.

Ich berichtete in der Facebook-Gruppe von dieser gemeinschaftlichen Rettung. Das Modell des Zusammenlegens für die Übriggebliebenen machte Schule und auf diese Weise kam auch der kleine „Eskimo“ zu einem Zuhause. „Epi“ und er würden gemeinsam fahren – in einem Sammeltransport.

Mitte Mai war es soweit – vier gleichaltrige Hengste kamen, ungeduldig erwartet, in Lörrach in ihrem neuen Leben an. Total erschöpft und ein wenig desorientiert, aber alles in allem guten Mutes. Schon zwei Tage später holte ich „Epi“ von Lörrach zu uns nach Hause. „Eskimo“ und „Expresso“ folgten dann zwei Wochen später. Ich kann es auch heute manchmal kaum glauben – er ist da, er lebt. Ich liebe ihn!

Aus Epi wird Tari

Mit dem Namen „Epi“ konnte ich mich allerdings nicht recht anfreunden – er erinnert mich an Epilepsie oder ein Epizentrum – und so suchte ich einen neuen Namen für den kleinen Hengst. Ich wurde in der Elben-Sprache fündig: ERUVIN JA TAR, was übersetzt „heilen“ bedeutet. Ich finde, es passt zu unserer Geschichte. Sein Rufname wurde „Tari“.

„Tari“ wächst und wir sind gespannt, wie er eines Tages als „großes weißes Pferd mit wallender Mähne“ aussehen wird, und manchmal denken wir an mögliche Spätfolgen, die auftreten können, oder auch nicht. Die Gelenke des linken Hinterbeins sind immer wieder mal geschwollen. Auch heute, ein Jahr später, hat „Tari“ deutlichen Nachholbedarf. Aber er hat ja noch Zeit.

„Tari“ ist besonnen geblieben, es ist sein Wesen, wie ein weiser alter Mann, so als könnte er schon alles. Putzen, Hufe geben, Hufe raspeln – alles ging von Anfang an frei ohne Halfter und Strick. Mit Halfter und Strick geht auch. Alleine spazieren, ja gut, wenn Du meinst?

Kurz nach seiner Ankunft bei uns war klar, er wird bei mir bleiben, wenn nicht alle Stricke reißen. Er ist mein Herzenspferd. Ein weiteres. Es ist etwas ganz Besonderes zwischen uns. Der Blick in seine Augen berührt mich immer noch. Jeden Tag.

43b Antoinette_Tari

1 Tari mit Antoinette und seinem schicken Show-Halfter, das ich extra für ihn anfertigen liess – seine Farben sind rot und gold so denke ich (erhältlich bei Nejd.de)
2 Tari im Herbst 2015
3 Tari am Abend vor seiner Abreise aus Frankreich

Und Emeraude? Eine Prinzessin auf der Erbse

Emeraude entwickelt sich prächtig. Sie ist diejenige, die von allen Elfen-Pferdchen bei uns am längsten braucht, um Vertrauen zu fassen. Wehrhaft ist sie, hat ein flinkes Hinterbein und beißt auch, wenn sie sich in die Enge getrieben fühlt.

Zum Glück waren wir nicht darauf angewiesen, sie schon rasch aufhalftern zu können. Ihre Hufe sahen bald ganz von selbst so aus, als wären sie perfekt bearbeitet worden – nur durch die reichliche Bewegung auf teils steinigem Boden. Das gab uns Zeit.

Entwurmt habe ich sie in der ersten Zeit mit Tabletten, die sie aber auch gut versteckt bekommen musste, weil sie sie sonst fein säuberlich aussortiert hat.

Es entstand eine ganz allmähliche Annäherung und auch unser Band wuchs ganz langsam aber stetig. „Emeraude“ ist das pure Gegenteil von „Tari“, kapriziös und empfindlich. Schon bald wurde sie zum heimlichen Liebling meines Mannes, der sie gut versteht und den sie als allerersten an sich heranließ.

Beide zeigen wunderbare Bewegungen, Tari noch sehr staksig, Emeraude dagegen ausgesprochen elegant, und wir freuen uns auf die Zukunft mit ihnen – der dritte im Bund wurde ja schliesslich „Easy“, wie Lia in ihrer Geschichte „Meine Mutter spinnt“ beschrieben hat und wie Du hier jetzt lesen kannst. Oder Du kaufst Dir das Buch und liest dann die über 50 berührenden Texte aller AutorInnen – es ist ja ein Gemeinschaftswerk und sämtliche Einnahmen kommen Pferden zu Gute, die in einer Notsituation sind.

Wenn alles klappt wird das Buch ab dem 5. Juli bei im Buchhandel oder direkt bei tredition.de im Buchshop erhältlich sein. Für die Pferde in Not bleibt am meisten übrig, wenn Du es direkt bei tredition.de hier bestellst. Aber eben, du musst Dich noch ein paar Tage gedulden – wir auch:-)

 

p.s. einige der Namen im Text sind aus Gründen des Persönlichkeits-Schutzes verändert.