Mitkommen ja, aber ohne Halfter???
Vor zwei Wochen konnte ich meinen Hawah, eine 5 jährigen noch ungerittenen Araber-Wallach, auf der Weide nicht aufhalftern… So ein Mist! Was sollte denn das? Ich wurde sauer – jetzt stell Dich nicht so an – sehr sehr kontraproduktiv, logischerweise.
Zwanzig Minuten lang bin ich ihm über die aufgeweichte Weide in meinen Gummistiefeln hinterhergelaufen und -gerutscht, konnte ihn auch anfassen und streicheln, er kam auch ab und zu zu mir – nur sobald ich das Halfter oder den Strick in der Hand hob, drehte er sich ab und lief einfach weg.
Als ich schliesslich mit Raphaël am Tor war – ich wollte eigentlich zu einem Handpferdeausritt aufbrechen, also Raphaël reiten und Hawah an der Hand mitnehmen, stand er auch da. Aha, mitkommen möchtest Du schon, nur nicht aufgehalftert werden…
Ich fasste mir ein Herz und liess ihn ohne Halfter mitkommen. Wir sind ja so weit weg von jeder Strasse, dass das nicht gefährlich ist. Allerdings war ich damit das Risiko eingegangen, dass es lange dauern könnte, ihn wieder in der Weide zu haben. Aber ich hatte Zeit;-)
Unser Muli Walterli lassen wir auf Ausritten öfter mal frei mitlaufen solange wir „in unserer Wildnis“ sind. Er findet das grandios und rennt voraus und wieder zurück und bleibt grasend irgendwo stehen um dann wieder im vollen Galopp aufzuschliessen.
Also probier ich das jetzt mal mit Hawah –
Funktioniert nicht
Hawah tut mir den Gefallen nicht und bleibt bei der erstbesten Gelegenheit bei den Kräutern am Wegrand hängen. O.k. dann nicht, ich drehe mit Raphaël um und gehe auf den Reitplatz. Dann arbeiten wir heute auf dem Platz – Hawah wird dann schon auch kommen, denke ich. Es ist ein regnerischer Nachmittag, so dass ich ziemlich sicher bin, dass nicht mal ein verirrter Spaziergänger vorbeikommen wird.
Hawah entdeckt schliesslich die Ponystute unseres Nachbarn und flirtet mit ihr etwas über den Zaun, aber ganz gesittet. Also kein Problem. Meine Arbeit mit Raphaël interessiert ihn auch nicht wirklich, dafür ist er dann sofort zur Stelle, als ich Raphaël sein Kräuterfutter zubereite.
Da kriegt er dann natürlich auch was und siehe da, ich kann ihn völlig problemlos aufhalftern.
Aber es gibt mir zu denken
Natürlich könnte ich jetzt mit ihm wieder Aufhalftern üben, wie wir es am Anfang auch gemacht haben. Aber ich habe ja mit ihm sowieso das Thema, dass wir irgendwie noch nicht rausgefunden haben, was zu uns beiden passt.
Ich habe von unseren Erlebnissen im letzten Winter hier berichtet: Die Brücke der Liebe
Den für mich bisher normalen Weg in der Jungpferdeausbildung mit Spazieren und Handarbeit und Longieren macht ja mit, aber die Begeisterung fehlt. Er ist eine Augenweide, wie er über den Platz trabt und über die Wiese fliegt, leichtfüssig, ausbalanciert. ich habe nicht den Eindruck, dass ich ihm da im Moment viel beibringen könnte dazu. Bei Raphaël war das anders gewesen.
Als ich das nächste Mal mit Hawah auf den Reitplatz gehe und so keine rechte Freude aufkommen mag, probiere ich es einfach aus. Ich ziehe ihm den Kappzaum aus und erwarte eigentlich dass er sagt: O.k. das wars dann wohl und sich davon trollt.
Neben unserem Reitplatz wachsen allerlei grüne Dinger… Zu meinem grossen Erstaunen geschieht das nicht und wir laufen gemeinsam, ich kann ihn sogar vorsichtig von mir weg schicken und er bleibt in einem kleinen Kreis bei mir.
Plötzlich ist der Weg klar
Ich Deppl, dass ich das nicht schon längst bemerkt habe?? Ist doch logisch, dass mein Freigeist und Kasper Hawah am liebsten frei arbeitet. O.k. sage ich ihm, sorry, dass ich so schwer von Begriff war. Da machen wir jetzt weiter, mal sehen, wo uns das hinführt.
Und ich bin total beglückt, mein Bauch hatte mir sowieso gesagt, dass ich noch mindestens ein halbes Jahr warten solle mit reiten bei ihm. „Aber er ist ja jetzt schon fünf!“, meint das Teufelchen auf der anderen Schulter. Jetzt kann ich dem Teufelchen sagen: „Ja stimmt, er ist schon fünf und topfit, aber wir brauchen jetzt Zeit um diese Freiarbeit aufzubauen.“
Ich freue mich so, auf den neuen Weg mit ihm, das fühlt sich total stimmig an.
Ich habe mich jetzt nochmals vertiefter mit Honza Blaha und seiner „free line collection“ beschäftigt. Hier ein Video-Link dazu:
Die Bestätigung – das Experiment beginnt
Gestern bin ich auf die Weide der Jungs gegangen und wollte nur mal eben Hawah nochmals begrüssen und ganz kurz mit ihm üben bevor ich nach Hause fuhr. Sie waren alle Zehn in der anderen obersten Ecke der Weide mit Grasen beschäftigt. Ich rief: Hawah!
Erst keine Reaktion. Unsere Tochter Lia meinte: Das interessiert den nicht wirklich.
Dann hoben Tari und Hawah beide den Kopf und schauten mich an und setzten sich in Bewegung, langsam zuerst, dann immer schneller. Hawah kam im gestreckten Galopp zu mir, schaffte es nicht, vor mir zu bremsen, hielt dann zwei Meter hinter mir und drehte sich zu mir um.
Kurz darauf war natürlich der ganze Rest der Truppe auch angerauscht. Ich übte mit Hawah noch kurz die Anfangsübungen: rückwärts gehen auf Signal vor der Brust und mit dem Kopf zu mir, mitlaufen und Hinterhand weichen lassen. Wie wenn er nur darauf gewartet hätte, wir haben das erstaunlicherweise sogar mitten in der Gruppe einigermassen hinbekommen.
Diese Grundübungen zu festigen in allen möglichen Situationen und auf immer grösser werdende Distanz wird nun für längere Zeit unsere Aufgabe sein. Wenn ich das richtig verstanden habe jedenfalls – und wir haben uns schon für Oktober zu einem Kurs angemeldet, da werden wir dann mehr erfahren. Ich kann Euch gar nicht beschreiben, wie ich mich darauf freue, einen neuen Weg zu begehen. Das Lernen und Erfahren hört eben nie auf. Vorerst mal danke Hawah, dass Du mir gezeigt hast, dass Du gerne etwas anders hättest.
Ich werde mit Hawah nun diesen Weg beschreiten, in möglichst reiner Form, und werde hier immer wieder über unsere Erfahrungen dabei berichten.
Das heisst nicht, dass ich diese Art der Ausbildung für die allein seligmachende halte. Ich denke, es ist wirklich wichtig, individuell den passenden Weg zu finden. Für Hawah und mich und unsere Lebenssituation passt das nun gerade – und fit werde ich auch noch werden, wenn wir gemeinsam durch die Gegend joggen…
Ich beschäftige mich auch mit Freiarbeit mit dem Pferd. Wir stehen aber noch in den Starterbeinen.
Leider kann ich mein Pferd bei unserem Gelaende nicht frei laufen lassen da eine gefährliche Straße,
andere Menschen, Bauern mit ihren Traktoren usw. um uns sind. Was ich aber mache ist beim grasen um den Reitplatz mal den Strick auf den Boden zulegen und dabei aber selbstverständlich bei ihm zu bleiben. Na Ja vielleicht baut sich das noch aus.
Was ich an deiner Art mit den Pferden zu kommunizieren gut finde dass du dir immer Gedanken machst was zu jedem Einzelnen passt und auf die Pferde eingehst. Weiter so.