Die verborgene Wurzel des Traumas? Eine Reise der Erkenntnis mit Parys

Heute möchte ich eine Erkenntnis aus meinem Leben mit Parys teilen. Eine Geschichte, die nicht nur unsere Herangehensweise verändert hat, sondern auch mein Verständnis für die komplexen Verbindungen zwischen Körper und Psyche bei Pferden.

Die Entdeckung der Hinterhand-Instabilität

Es war erst vor einigen Monaten, als ich bei Parys eine entscheidende Entdeckung machte – eine Instabilität in seiner Hinterhand. Ich war bei ihm so sehr auf sein Verhalten und seine Mimik konzentriert, dass ich lange gar nicht sooo exakt auf seinen Bewegungsqualität geachtet hatte. Irgendwie wirkt er quadratisch – praktisch – gut.

(Kleine Anmerkung für die, die Parys noch nicht aus meinen Erzählungen kennen: Er kam zu mir, weil er auf Menschen losging. Er ist ein Huzuluen Wallach, mittlerweile fast 14 Jahre alt, der Braune auf dem Bild)

 

Nun da wir beide gelernt haben, doch recht vernünftig miteinander umzugehen und Parys auch die Kommunikation mit den Pferden wieder gelernt hat, fiel mir auf, dass er trotz alle des Übens auf rechte Hand ungern auf einer Kreislinie läuft. Weil ich mit Mera so oft über Bewegungsanalysen spreche, schaute ich mir Parys Gangbild mal explizit von hinten an. Und ich erschrak. Ich bemerkte, dass Parys in seinen Sprung- und Fesselgelenken dreht und kippelt. Das linke Hinterbein führt er in Wendungen stärker nach aussen und dieses Bein dreht auch mehr als das rechte.

Plötzlich kam mir der Gedanke, dass diese körperliche Beeinträchtigung nicht nur sein Gangbild beeinflusst, sondern möglicherweise sogar die ursprüngliche Ursache für seine schwere Verhaltensstörung war.

Körperliche Überforderung als Ursprung des ganzen Traumas?

Ich stelle mir also vor, wie Parys Ausbildung anfing. Ein charakterstarker junger Huzule mit einer instabilen Hinterhand. (Es war eine Western-Ausbildung, aber ich glaube nicht, dass das der entscheidende Punkt war.) Nun wird da ja von den Pferden bald verlangt, dass sie sich in allen Gangarten im Kreis bewegen, enge Wendungen gehen, stoppen und Tempiwechsel machen. Jetzt merkt dieses Pferd, dass sein Körper das nicht gesund hinkriegt. Dass es bereits zwickt und an den Sehnen zupft. Er will das nicht, er weiss instinktiv, dass er mit einem kaputten Körper als Fluchttier nicht gut dran ist. Er ist überfordert, was soll er tun? Er kann nicht weg. Losreissen ja das geht, aber da ist die Umzäunung und die Menschen holen ihn wieder und es geht einfach weiter. Er will nicht mehr laufen. Er will stehen bleiben. Das darf er aber nicht. Er ist in einem Dilemma, sein Nervensystem kann das nicht mehr verarbeiten und dann kippt es: er geht in den Kampf-Modus. Das ist keine Entscheidung von ihm, er ist einfach jenseits von jeder Regulation. Flucht geht nicht, Erstarrung geht nicht, es bleibt ihm die dritte Variante der instinktiven Verhaltensweisen. Kampf. Er flippt regelrecht aus. Das passiert wieder und wieder. Und jedesmal denken die Menschen, sie müssen ihn noch mehr disziplinieren.

Uns genau an diesem Punkt weitertrainieren. Aber ein Nervensystem, das im Ausnahmezustand ist, kann nicht lernen. Es ist auf reines Überleben ausgerichtet, JETZT. Adrenalin wird ausgeschüttet und Muskulatur aktiviert. Das Reptiliengehirn übernimmt das Kommando. Parys wird immer traumatiserter und jede der erzieherisch gedachten Folgesituationen retraumatisiert ihn. Er dissoziiert.

Menschen mit solchen Erfahrungen beschreiben die Dissoziation folgendermassen: Der Geist koppelt sich vom Körper ab, sie empfinden keinen Schmerz oder keine Angst und haben nicht das Gefühl, dass ihnen das gerade selbst widerfährt. Heute weiß man, dass diese Dissoziationserfahrung zu den stärksten Indikatoren für später einsetzende posttraumatische Symptome gilt. Eine Traumatisierung tritt dann ein, wenn der Körper keine Meldung bekommt, dass das überfordernde Ereignis vorüber ist und eine Normalisierung stattfinden kann. Dann bleibt dieser Zustand länger und länger.

Genauso – so wird mir nun klar – kann es passiert sein, dass Parys in einen solchen Zustand kam, in dem er dann zu uns kam.

 

Dauernd im Versuch, sich selbst zu beruhigen, dauernd innerlich aufgewühlt und eigentlich gar nicht mehr er selbst. Kauen und Lecken zur Selbstberuhigung. Die anderen Pferde wollten mit ihm damals auch nichts zu tun haben, so komisch war er „drauf“. Bis dann Insley kam. Aber das ist eine Geschichte für sich.

Mein Herz zieht sich zusammen, wenn ich mir diese Szenen vorstelle und ich spüre, dass es wohl tatsächlich so gewesen sein muss. Denn psychisch, einfach so im Umgang ist Parys ein harter Knochen. Der steckt so einiges weg. Und er liebt Menschen. Und er ist schlau, ich würde sogar sagen sehr intelligent. Er ist kein Pferd, das einfach nicht mitarbeiten will.

Aber am Schlimmsten daran finde ich eigentlich, dass ich auch so lange gebraucht habe, um diesen Teil des Problems zu erkennen. Gut wir hätten anfangs eh schlecht daran arbeiten können. Aber auch ich habe ihn viel longiert in allen Gangarten. Und es als „altes Muster“ angesehen, dass er sich im Galopp auf rechte Hand gerne losreisst. Gut, ich habe ihn dann nicht weitergeschickt sondern ihm erlaubt, selbst zu entscheiden, ob und für wie lange er galoppieren will. Aber ich habe mich sehr gefreut, wenn er galoppiert ist und er findet es wunderbar, wenn ich mich über ihn freue und hat dann mehr und mehr Galopp angeboten. Weil ich aber trotzdem ein komisches Bauchgefühl dabei hatte, haben wir nicht sehr häufig so trainiert und ich hoffe, dass wir dadurch keine weitere Schädigung ausgelöst haben.

Jetzt jedenfalls gehen wir dieses Thema gemeinsam an. Mit dem Ziel, in Leichtigkeit und Freude für seinen Körper und meine Körper bessere Bewegungsmuster zu entdecken. Denn das ist möglich, und das ist die gute Nachricht dabei. Parys liebt diese feine und sorgfältige Arbeit. Und er liebt den Wald, ich glaube, eigentlich ist er ein Waldpferd. Zum Glück können wir auch auf unseren Spaziergängen mal dazwischen 10 Minuten üben.

Parys bewegt sich heute viel lieber und ausdauernder als früher als er nur mit den anderen lief, wenn sie ihn dazu nötigten. Heute ist er oft der Anstupser, komm lass uns laufen, lass uns spielen.

 

Parys‘ Geschichte ist ein anschauliches Beispiel dafür, wie körperliche Überforderung zu einem Trauma führen kann, das letztendlich wie ein rein psychisches Problem erscheint.

Die Bedeutung der Bewegungsanalyse

Deswegen werde ich immer mehr Fan der Bewegungsanalyse. Sich vor und nach einer Unternehmung mit dem Pferd diese Punkte anzuschauen. Bei Parys also vor allem die drehenden Sprunggelenke und kippelnden Fesselgelenke. Vielleicht erstaunt es Dich, aber das kann sich innerhalb kurzer Zeit verändern, wenn wir mit den Pferden auf eine hilfreiche Art trainieren. Also in einer Weise, die ihnen hilft – wiederum bei Parys: sich in diesen Strukturen zu stabilisieren. Indem ich keine Anforderungen stelle, die ihn noch mehr dazu verleiten seine Ausweichbewegungen zu kultivieren und eine Schutzverspannung aufzubauen. Bei Parys ist diese Verspannung dann deutlich im Lendenbereich zu fühlen und früher war sie auch deutlich zu sehen.

Wenn Du also bei Deinem Pferd diesen genauen Blick auf die Bewegungen und die Zeigergelenke werfen möchtest, um dann auch für Dein Pferd ein gutes gesundes Training zu finden, in dem es nicht flüchten muss (rennen, sich losreissen) oder aber in dem es versucht, sich vor Überlastung seines Körpers zu schützen, in dem es nicht vorwärts gehen mag. Wenn das also Dein tiefer Wunsch ist, dann melde Dich bei uns und wir bieten Dir ein unverbindliches und kostenloses Gespräch an und eine Bewegungsanalyse, wenn Du uns geeignete Videos dafür sendest.

Gemeinsam können wir vielleicht verborgenen Ursachen für Verhaltensprobleme aufdecken und einen Weg zu einem gesünderen und glücklicheren Leben für eure Pferde finden.

Wir freuen uns darauf, euch und eure Pferde auf diesem Weg zu begleiten.

Schreib mir gern eine Email an info@alnour.ch wenn Du eine solche Bewegungsanalyse möchtest.

 

Fähigkeiten

Gepostet am

25. Januar 2024