Erziehung neu denken?

Mit Freude und Kommunikation zum harmonischen Miteinander

Einleitung: Erziehung – muss das wirklich sein?

Erziehung – das klingt nach Einschränkungen, Regeln und Pflichten. Doch was wäre, wenn wir das Konzept von Erziehung neu denken? Wenn wir sie als eine Form der Verständigung betrachten, die Freude macht und uns mit unseren Pferden auf eine tiefere, harmonische Ebene führt?

Ich muss zugeben, dass ich von meiner Natur her gar nicht „erziehen“ möchte. Ich würde Tiere lieber einfach frei und ungezwungen leben lassen. Doch im Laufe der Zeit habe ich verstanden, dass ich „Erziehung“ ganz anders begreifen kann, als das, was ich in meiner eigenen Kindheit erlebt habe. Statt unnötiger Einschränkungen und ständigen Meckerns könnte Erziehung auch eine Brücke sein – eine Brücke der Kommunikation, die Freude auf beiden Seiten bringt.

Die Erziehung, die ich kannte – und was ich von meinen Hunden gelernt habe

Meine ersten beiden Hunde, einen Collie und eine Golden Retriever-Mix-Hündin habe ich gar nicht bewusst „erzogen“. Sie haben irgendwie von selbst funktioniert, haben sich auf meine Stimmung und Gedanken eingestellt. Es war eine stille, intuitive Verständigung.

Doch dann kam mein Lagotto Indi mit einer schwierigen Vergangenheit, und plötzlich stand ich vor ganz neuen Aufgaben. Ich begann, mich aktiv mit Hundeerziehung auseinanderzusetzen. Mein Podencomix Ares war wohl mein anspruchsvollster Lehrmeister. Er hat mir gezeigt, dass wir gemeinsame Regeln aber auch Freiheiten brauchen, um gut zusammenleben zu können. Er war ein sehr selbständiger Hund, der in Madrid auf der Strasse gelebt hatte mit einem Strick, der ihm in den Hals eingewachsen war und er wusste sehr genau, was er wichtig fand und was nicht. Irgendwie wusste er sogar, wo die Grenze unseres 15 Hektar grossen Grundstücks (wo die Pferde leben) ist und er war sehr darauf bedacht, sein grosses Geschäft nicht auf unserem Land zu tätigen. Ich hab ihm keine Landkarte gezeigt..

Die Pferde – Stute Penta zwang mich zum Umdenken

Bei meinem ersten Pferd Penta habe ich unbewusst vieles genauso gemacht wie meine Eltern: Ich habe gemeckert, wenn das Pferd nicht tat, was ich wollte. Wie ungerecht und was für ein Stimmungskiller!

Damit war ich bei Penta allerdings an der falschen Adresse. Wenn sie nicht wollte hat sie gekämpft wie eine Löwin. Die Hufschmiede hatten Angst vor ihr und bestanden darauf, sie nur sediert zu bearbeiten.

Pfühh, es war ein langer Weg, auf dem ich immer mehr lernte, einen Dialog mit ihr zu führen statt einfach Anweisungen zu geben. Tatsächlich hatte ich nirgends gelernt –  trotz vieler Jahre Reitschule und Reitbeteiligungen – wie ich solche Themen lösen könnte. Verladen war auch so ein Thema. Ich holte eine Trainerin, die nach Linde Tellington Jones arbeitete und wir haben Penta nach allen Regeln der Kunst vorbereitet auf den Anhänger und auf Enge etc. Das hat sie alles nicht die Bohne interessiert. Sie wollte trotzdem nicht einsteigen.

Natürlich habe ich Penta auch gelobt, aber meist nur dann, wenn eine Lektion besonders gut ausgeführt wurde – sei es beim Reiten oder Longieren.

Unbewusst habe ich eine Unterscheidung gemacht zwischen dem „Stallalltag“ wie Putzen oder Führen und dem eigentlichen Training. Doch mit der Zeit wurde mir klar, dass diese Unterscheidung aus Sicht des Pferdes völlig unlogisch ist. Für das Pferd ist jeder Moment eine Interaktion, und jedes Verhalten kann eine wertvolle Leistung sein, die Anerkennung verdient. Diese Trennung spiegelt auch den Anspruch wider, den wir oft an uns selbst stellen: „Ich muss es perfekt machen.“ Doch dabei vergessen wir, wie schwierig es eigentlich ist, und wie selten wir uns selbst für unsere eigenen kleinen Erfolge wertschätzen. Wenn wir das schon bei uns selbst kaum tun – wie können wir es dann von Herzen bei unseren Pferden erwarten?

Eine Lanze für die Freude an und in der Erziehung

Heute möchte ich eine riesige Lanze brechen – für eine Pferdeerziehung mit Freude und zwischen Führung und Freiheit. Eine Erziehung, die bewusst in den Alltag integriert wird und die auf Kommunikation beruht. Denn im Grunde ist es so: Unsere Pferde versuchen meistens, uns zu verstehen. Sie stecken oft unfassbar viel Gemecker und Strafen ein, bemühen sich aber trotzdem, Harmonie herzustellen.

Doch wenn wir diese gemeinsame Sprache nicht bewusst entwickeln, entstehen oft Frustrationen – auf beiden Seiten. Und das führt dann zu „unerwünschtem Verhalten“, das eigentlich nur auf Missverständnissen basiert. Besonders Pferde mit schwierigen Vorerfahrungen oder mit einem sehr feinen Naturell brauchen diese bewusste und klare Kommunikation, um Vertrauen zu uns aufzubauen.

Erziehung bewusst gestalten – Was das konkret bedeutet

Was heißt das nun konkret für den Alltag? Es bedeutet, dass wir uns selbst beobachten: Wie oft bestätigen wir unser Pferd, wenn es das tut, was wir von ihm wollen? Das muss kein großes Getue sein, sondern einfach eine kleine Anerkennung.

Ich erinnere mich an eine Situation, in der ich einem Pferd die Hufe ausgekratzt habe. Eine Frau neben mir fragte: „Hast Du Dich jetzt ernsthaft dafür bedankt, dass er Dir den Huf gegeben hat?“ Ja, habe ich. Das kam ganz automatisch. Denn ich möchte, dass mein Pferd weiß, dass ich seine Kooperation schätze.

Es geht dabei weniger um das ausgesprochene „Danke“ als um die innere Haltung: Möchtest Du lieber Zeit mit jemandem verbringen, der meckert, wenn Du nicht sofort tust, was er möchte? Oder mit jemandem, dem es wichtig ist, wahrzunehmen, wie es Dir geht und der Deine Bemühungen schätzt?

Zwei häufige Extreme 

Oft sehen wir zwei Extreme, wenn es um Pferdeerziehung geht:

Überkorrektur: Es besteht häufig der Druck, sich durchzusetzen, um „Chef genug“ zu wirken. Dabei werden die feinen Signale des Pferdes oft übersehen, da der Fokus nur darauf liegt, dass das Pferd exakt tut, was erwartet wird. Der innere Stress und die Kontrolle ersticken jedoch die Möglichkeit einer echten Kommunikation.

Zu wenig Klarheit: Aus Angst, zu streng zu sein, fällt es vielen schwer, klare Grenzen zu setzen. Diese Unsicherheit überträgt sich auf das Pferd, das ebenfalls unsicher wird und in stressigen Situationen den Menschen ausblendet. Es versucht, sich selbst in vermeintliche Sicherheit zu bringen, was das Unfallrisiko für beide Seiten erhöht.

 

Das richtige Gleichgewicht finden

Doch wie kann es gelingen, einen Mittelweg zwischen diesen beiden Extremen zu finden? Wie schaffen wir es, unserem Pferd zu helfen, Stress und Aufregung in Ruhe und Neugierde zu verwandeln?

Statt Druck aufzubauen wenn’s knifflig wird, können bewusstes Üben und klare Kommunikation helfen. Dies bedeutet, nicht nur auf das Problem zu reagieren, sondern proaktiv Vertrauen und Sicherheit zu schaffen. Gerade Pferde, die in ihrer Vergangenheit Schlimmes erlebt haben, brauchen diese sanfte und doch klare Art der Führung. Die reine Vermeidung von schwierigen Situationen führt langfristig meist zu neuen Problemen – der Weg heraus besteht darin, mutig die Basis zu stärken und das Pferd Schritt für Schritt an neue Herausforderungen heranzuführen.

Der Weg zur Freude – bewusst üben und loben

Anstatt frustriert zu sein, wenn etwas nicht sofort klappt, ist es wichtig, die Freude am gemeinsamen Lernen wiederzufinden. Jede Übung, sei es das Anhalten, Slalom-Laufen oder Rückwärtsgehen, im Grunde jede gemeinsame Handlung, ist eine Gelegenheit, die Kommunikation zu vertiefen.

Entwickle klare Stimmkommandos und Körpersignale und versuche, Dich daran zu halten – gar nicht sooo einfach – und lobe dann jeden noch so kleinen Fortschritt. Ein winziger Schritt rückwärts zum Beispiel oder schon das bloße Verlagern des Gewichts kann schon ein großer Erfolg sein. Es geht darum, auf beiden Seiten Freude und Leichtigkeit zu entwickeln.

Schlussgedanke: Erziehung als Freude und Kommunikation

Gewaltfreie Pferdeerziehung bedeutet, eine gemeinsame Sprache zu finden, die auf Vertrauen, Klarheit und Freude basiert. Nimm Dir Zeit, beobachte Dein Pferd, und sei Dir bewusst: Jeder kleine Fortschritt ist ein Zeichen dafür, dass Du und Dein Pferd auf dem Weg zu einer tieferen Verständigung seid.

Falls Du Unterstützung dabei brauchst, diese Verbindung aufzubauen, möchte ich Dich herzlich in unseren Kurs Zwischen Führung und Freiheit einladen – für eine gemeinsame Zeit, die Freude macht. Hier findest Du mehr Infos zu diesem Kurs: https://herzenssachepferd-gluecksfeuer.com/online-kurs-zwischen-fuehrung-und-freiheit-eine-ganz-besondere-balance-finden/

In dem Kurs bekommst Du nicht nur Infos und Input,  sondern auch ganz persönliches Feedback und Antwort auf Deine Fragen.

Fähigkeiten

Gepostet am

9. Oktober 2024