Ich würde ja von mir ganz frech behaupten, ich sei ein geduldiger Pferdemensch mit viel Verständnis für meine Schätze auf vier Beinen.
Aber die Sache mit den Erwartungen ist trotzdem aktuell. Ich entdecke mit Emeraude gerade zwei Aspekte, die sich scheinbar widersprechen, aber genau der Knackpunkt sind. Das sind auf der einen Seite die eigenen (enttäuschten) Erwartungen und die damit verknüpften unangenehmen Emotionen und da ist auf der anderen Seite auch eine Erwartung, die zu dem Moment passt und die uns hilft, einen guten Weg zu finden.
Der Hintergrund:
Emeraude steht seit November 2020 in einem neuen Stall, in dem für sie vieles neu ist – eine grosse Herausforderung. Sie ist nicht wirklich ängstlich , aber ausgesprochen misstrauisch allem gegenüber, das sie noch nicht kennt oder das eine potentielle Gefahr sein könnte. Ganz gesund um in der Natur zu überleben, schwieriger hier in der Menschenwelt. Und ja, sie hat eine schwierige Vergangenheit, die ist allerdings schon eine gute Weile her. Ihre Mutter ist auch ein besonderes herausforderndes Pferd – aber das ändert ja nichts. Was zählt ist das, was sich heute zeigt und wie wir beide damit umgehen.
Gerade lernt Emeraude mit ihren bald 7 Jahren in der Menschenwelt zurecht zu kommen – es ist immer noch sehr ländlich, da wo sie jetzt wohnt, aber es gibt Strassen mit Autos und Lichtern und es gibt Spaziergänger und einen gemauerten Stall mit einer Stallgasse – für sie eine enge Stallgasse – und Plastikvorhänge und und und.
Sie ist also gefordert, sich mit diesen neuen Gegebenheiten und der neuen Herde zu befassen. Dabei ist sie ein Pferd das erst mal erstarrt und guckt und guckt und guckt bevor sie flüchtet. Sie hüpft nur davon, wenn alles schon wirklich zu viel ist.
Was viel oder zu viel ist, das ist jeden Tag anders. Und genau das macht es für mich so herausfordernd.
Gestern war alles gut und heute wieder ist der Putzplatz voller Gespenster und Huf
e auskratzen ist leider nur mit der Option möglich, dass sie auf mich drauf hüpft?
DA beginnt meine Herausforderung mit mir selbst, weil: ICH WiLL DAS NICHT. Mich frustriert das und es ärgert mich und irgendwie finde ich auch nach bald 5 Monaten könnte es doch auch mal einfach normal und entspannt sein.
Was ich darüber denke ändert aber nichts an ihrem Verhalten – höchstens an meinem Verhalten
Ja, kann ich wohl finden, es ändert aber nichts. Und natürlich weiss ich, dass Emeraude das nicht tut, um mich zu ärgern und schon grad gar nicht um irgendwie der Chef zu sein oder so was.
Sie ist ausnehmend aufmerksam und kooperativ wenn sie kann.
Manchmal ist es offensichtlich, was heute anders ist als gestern. Wind zum Beispiel. Aber manchmal versteh ich’s auch nicht und kann allenfalls vermuten. Letztes Mal war es sehr kalt, ein eisiger Wind ging und Schnee lag in der Luft. Das war tags davor aber genauso gewesen und wir hatten einen grossen Spaziergang richtig gut gemeistert. Sie war sogar ganz rührend und hat von sich aus hinter mir die Seite gewechselt, so dass ich zwischen ihr und dem „Gefährlichen“ war und ist weitergelaufen statt wie bisher stehenzubleiben. Die „gefährlichen“ Sachen konnten zum Beispiel ein Wassergraben entlang des Weges sein, ein Baumstamm, ein Gebäude oder eines der vielen Kreuze, die hier im Elsass überall stehen.
Aber es war nachmittag gewesen und sie war einige Stunden auf der Winterweide gewesen. Heute war noch vormittag und sie stand noch im Offenstall. Reine Spekulation, ob das nun der Grund war oder nicht.
Jedenfalls war sie total angespannt, zuckte mehrfach zusammen sogar im normalen Auslauf.
Ich war hin- und hergerissen. Soll ich sie einfach heute sein lassen? Wär ja auch eine Möglichkeit. Das find ich das knifflige dabei. Denn – so viel hab ich in den 5 Monaten im neuen Stall gelernt – nix tun hilft nicht. Kleine Herausforderungen gemeinsam meistern dagegen schon. Das hat sich auch sehr positiv auf unsere Beziehung ausgewirkt.
Ich entschied mich dann für eine Miniversion:
Nur über die Strasse und auf dem fast leeren Sägerei-Gelände vis-à-vis ein bisschen gehen und ein bisschen grasen.
Es war wie erwartet nicht ganz einfach – einmal rannte sie sogar richtig massiv rückwärts. Ich glaube, da hatte eine Plastikverpackung die Sonne reflektiert und sie – eigentlich am grasen – ist total erschrocken.
Ein Steinhaufen, an dem wir schon xmal vorbeigegangen sind, war dann auch sehr gespenstisch und das war der Zeitpunkt, an dem ich mich fragte, was in aller Welt tue ich eigentlich mit diesem Pferd? Falsches Pferd, falscher Mensch, falscher Stall, falsches alles? – kennst du solche Gedanken?
Dann entschied ich mich, jetzt diese Aufgabe zu Ende zu führen. Sprich, ich wollte dass wir zufrieden und ruhig zum Stall zurückkehren – die paar Meter. Und wie könnten wir das erreichen? Ich versuchte folgendes: wir bleiben in der Nähe des grauslichen Steinhaufens und laufen dort im Kreis oder im Viereck. Emeraude kann in Bewegung besser Stress abbauen. Aber du glaubst nicht, was das Schicksal dann noch Grausames für uns auf Lager hatte: Eine Plastikplane auf einem Balkon in ca. 150 Meter Entfernung – und die hat sich im Wind bewegt. Echt jetzt.
„Ich werde dich jetzt so beschäftigen, dass du gar keine Zeit mehr hast, dieses Unding anzuschauen.“ dachte ich, wild entschlossen, diese Drachen zu bändigen. Ich hab Emeraude geführt und Dinge gemacht, die wir schon oft geübt haben. Quadratvolten führen, oft anhalten, ein paar Tritte rückwärts, an der Longe (die hab ich immer dran bei ihr, damit wir mehr Platz haben) ein bisschen um mich herum traben.
War es nun die Bewegung oder meine Entschlossenheit oder mein energischeres Auftreten? Oder alles zusammen? Oder die Zeit? Schlussendlich egal.
Schliesslich konnte sie dann sogar den Löwenzahn neben dem Steinhaufen fressen. Yes.
Und schnauben und mit tiefem Kopf neben mir zum Stall zurück laufen.
Es gibt also doch kein Verkaufspferd hier. Nein Spass, ich bin ja hartnäckig und geb nicht so rasch auf. Aber es sind schon heftige Gefühle, die da hochkommen können.
Und damit umzugehen ist die Kunst. Darauf komm ich immer mehr. Das ist die Kunst des Lebens.
Die Kunst, auch mit negativen Gefühlen umzugehen, ist glaub ich die Kunst des Lebens
Klar hätt ich am lieber einfach ein vergnügtes Pferdchen, das sich am Leben freut. Das mit mir die Welt entdeckt und sich fühlt wie die beste aller Prinzessinnen und ich mich wie ihre menschliche Freundin, die diese Verbindung geniesst.
Nun, im Moment ist das noch nicht so. Und kleine angepasste Erwartungen helfen, die Herausforderungen anzugehen. Ich sehe nicht so sehr den Weg, einfach erwartungsfrei durch die Welt zu schweben. Das kann ich vielleicht als buddhistischer Mönch, ohne Familie, in geschützter Umgebung.
Aber ich lebe hier und jetzt und sehe mich immer wieder mit schwierigen Gefühlen konfrontiert, die doch auch ihre Berechtigung haben. Und dennoch und genau auch damit – das wird mir immer klarer – kann ich das Leben in seiner ganzen Fülle eben leben.
Seit drei Jahren arbeite ich nun mit Odette Sales zusammen und wir tauschen uns jede Woche aus und wir sind dabei Erforscherinnen unserer eigenen Innenwelten.
Und ich kenne niemanden sonst, der so tief mit einer solchen Klarheit mit dem Verstand versteht, mit dem Herzen fühlt und mit einem inneren Auge dazu passende Bilder erkennt. Solche, die besser beschreiben können, wie ich mich fühle, als ich das selbst könnte.
Wenn wir lernen, unsere Stolpersteine zu umarmen, dann wird das Leben bunt und wir leuchten von innen.
Wenn du auch ein paar Löffel von diesem köstlichen Leucht-Süppchen, gekocht von Odette und mir, möchtest, dann gibt es am Freitag, 16. April um 16:30 Uhr in einem kostenlosen Webinar die Gelegenheit dazu.
Hier findest du mehr Infos dazu.
Hier kannst dich direkt anmelden:
Mir helfen diese konkreten Ansätze, die Odette und ich erarbeitet haben, auch in der Arbeit mit den Pferden, sehr. Grad wenns zum aus der Haut fahren ist – oder auch, wenn Druck von aussen kommt.
Wie zum Beispiel beim Verladetraining. Da hab ich mit Emeraude so lange geübt, bis sie sicher stehen blieb biem Schliessen. Das hat zwar Wochen gedauert, Wochen in denen ich eigentlich schon längst im neuen Stall hätte sein wollen – aber schliesslich sollte Emeraude nicht ausbaden, dass ich zu spät mit dem Hängertraining begonnen habe.
Ich hätte sie schon beim ersten mal irgendwie reingebracht und hätte fahren können, aber so hätte ich ihr Vertrauen missbraucht.
Dann wäre es jetzt möglicherweise noch schwieriger.
Nicht so einfach manchmal mit den Pferden und unseren angemessenen oder übertriebenen Erwartungen.
Herzlich
Antoinette