Dieses Jahr ist Buckle 29 geworden, ich 61. Seit 22 Jahren verbringen wir unser Leben gemeinsam. Wie ein roter Faden zieht sich diese Verbindung zu ihr durch mein Leben. Und es wird immer wertvoller für mich, ihre Gegenwart zu erleben, mit ihr zu sein und durchs Revier zu schlendern. Dass wir beide uns so lange gemeinsam erleben können, ist keineswegs selbstverständlich für mich – dazu habe ich schon Abschiede von ihrer Friesenfreundin Antje und auch von Lebenspartnern erleben müssen. Aber auch sie hat eine gerüttelt Last an Geschichte hinter sich – als 2jährige Importstute aus Iowa hergeholt, in den 5 Folgejahren 4 Fohlen auf die Welt gebracht – davon ein lebensuntaugliches „Weißfohlen“ wegen des irrsinnigen Umgangs mit der Farbzucht. Als sie mit 7 zu mir kam, war sie so mager, dass es keinen Sattel gab, mit viel Liebe und Zusatzfutter musste ich sie hochpeppeln – gerade getrennt von ihrem letzten Fohlen. Bald zeigte sie eine Uberührbarkeit an den Ohren, bis ich hörte, dass es in ihrer Heimat üblich war, Pferde mit der Nasenbremse am Ohr zu packen. Der Zahnarzt fand auf ihr die Narben eine Drahtes auf der Zunge. Sie erhielt ihren Namen „Buckle“ vom deutschen Züchter, weil sie beim ersten Galoppversuch sofort losbuckelte – vermutlich hatte sie das vorher noch nie gemacht oder der Sattel passte so gar nicht. Da „Buckle“ aber ja auch „Schnalle heißt, hab ich ihr dieses Schmuckstück als Prädikat gelassen…sie ist bis heute wirklich eine Paint-Schönheit…mit der „zerrissenen“ overo-Scheckung, die seltener ist, und dazu braunen Augen. Und diese äußere Schönheit hat sie immer mehr auch in ihrem Wesen für mich gezeigt. Die Cowboys, die sich an ihr versuchten haben schnell abgewunken. Hysterisch, zickig, viel zu sensibel. Männer mit Hut haben sie lange Zeit in die Flucht geschlagen. Aber mich hat sie einfach nur glücklich gemacht. Auch meine große Unsicherheit als Späteinsteigerin hat sie nie gestört. Sie steht mit beiden Beinen fest und klar auf der Erde und scheut nie. So waren wir bald zu zweit im Wald verschwunden und haben dort unser Zusammensein in tiefen Zügen genossen.
Mit den Jahren kamen auch Probleme mit der Gesundheit: Atemwegsprobleme, die durch getränktes Heu fast weg sind, EOTRH, was damals noch kaum bekannt war und beschwerdefrei seitdem die unteren Schneidezähne gezogen wurden – und Hufrolle seitdem sie 20 ist, was leider ihren viel zu kleinen angezüchteten Hufen in Kombi mit ihrer steilen Schulter zuzuschreiben ist. Mit allem hat sie sich gut arrangiert – seit sie 20 ist, reite ich sie nicht mehr.
Das Thema „Altern“ und „Tod“ tauchte für uns schon recht früh auf. Ich hatte sie gerade ein Jahr, da verlor ich durch Krankheit den mir liebsten Menschen – und wurde hautnah und sehr schnell mit der Endlichkeit des Lebens konfrontiert. Buckle hatte ja auch schon vor Jahren eins ihrer Fohlen verloren – vielleicht verbinden uns diese vergleichsweise frühen Verluste auch besonders. Als ich sie endlich zu mir holen konnte nach der Aufzuchtsaison mit ihrem Fohlen, beging der Züchter vorher noch Selbstmord.
Wenn man als Späteinsteigerin das Reiten lernt, können auch vielen Situationen entstehen, die das eigene Alter sehr bewusst machen. Heute hat sich das Unterrichtsangebot sehr auf Lernerinnen jeden Alters eingestellt. Damals waren wir beim Unterricht noch die „Oma“ mit der netten Stute. Und als wir völlig überraschend beim einzig von uns gewagten Hausturnier auch noch im Trail gewannen, waren die Mädels sauer, weil wir ja eine andere „Alterklasse“ seien.Wir haben dort viel gelernt – Westernreiten auf der Grundlage des Claus Penquitt – aber die Erwachsenen waren dort noch eine Minderheit. Die Tochter des Hauses hatte eine wundervolle Art des klassischen Westernreitens zusammen mit ihrer Mutter entwickelt mit ihrem Hafibuben – und ich werde die Stunden nicht vergessen, die ich auf diesem so fein ausgebildeten Königshafi genießen durfte. Sie wurde mit ihm häufige Meisterin – mit Recht. Und das versöhnte mich auch mit den eher derben Vorerfahrungen aus der Ecke der „Cowboys“. Auch diese unglaublich liebe und talentierte Tochter verstarb leider viel zu früh.
Und letztlich haben wir gemeinsam den Tod ihrer Friesenfreundin Antje vor 2 Jahren erleben dürfen – auch das hat unsere Verbindung sehr gestärkt.
Altern als Thema?
In manchen turbulenten Phasen meines Lebens war Buckle meine Konstante – mein Ruhepol und meine Seelenheimat. Das verbindet uns auf ewig.
In den letzten Jahren ist mir aufgefallen, dass Buckle und ich im Grunde eine Entwicklung repräsentieren, die sich in den letzten 2 Jahrzehnten in der Pferdeszene abzeichnet.
1. Wir sind „reine Freizeitreiter“ , was unsere Entwicklung und unsere Ausrichtung in der „Szene“ betrifft.
2. Wir sind beide aus den Anfängen der Kommerzialisierung hineingewachsen in einen gigantischen „Markt“ zu diesem Thema.
3. Wir sind beide über Jahrzehnte zusammen und werden es auch bleiben – unsere Bindung ist unabhängig vom gegenseitigen „Nutzen“.
4. Ich gehöre mit meinen Pferden zu der großen Gruppe der inzwischen existierenden „Selbstversorger“, so dass wir uns es leisten können, die Lebens Bedingungen einigermaßen bezahlbar, aber vor allem pferdegerecht zu gestalten.
Wir gehören beide einer Generation an, die recht häufig vorkommt: Ich den geburtenstarken Jahrgängen „vor dem Pillenknick“, sie der ersten großen Generation von „Freizeitpferden“, die nun auch „in die Jahre“ kommen, wenn sie das Glück hatten, so weit gesund und munter zu bleiben. Insofern reizt es mich, mal zu schauen, wie diese gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verschränkungen uns auch beeinflusst haben und vielleicht heute noch auf uns wirken.
In der Stille sein
Mit den Jahren, in denen Buckle nun begrenzter mobil ist, hat sich eine Verbindung zwischen uns entwickeln dürfen, die mich im tiefsten Innersten zum Schwingen bringt. Mein Wechsel in den beruflichen Ruhestand und hinein in die Selbstgestaltung meines künstlerischen und pferdischen Alltags hat uns einen Luxus beschert, den wir beide täglich genießen.
Besonders fällt mir auf, dass Rituale eine Schlüsselrolle im Miteinander ausmachen – das mögen Mensch und Pferd als soziale Schwarmwesen grundsätzlich – aber mit zunehmendem Alter werden diese zur wahren Passion. Man könnte auch liebevoll sagen: Wir werden etwas schrullig.
Die Futterzeiten mit dem Heubrei und allerlei leckeren Zutaten sind einzuhalten und ich spüre das ohne Uhr, wann es dran ist. Verspäte ich mich, ernte ich empörte Blicke.
Die Kekse beim Wandern sind selbstverständlich in genügender Menge mitzuführen…diese kleinen Freuden des Lebens sind nicht zu unterschätzen – und bei ihr fühlt sich das so stimmig an, niemand käme darauf, uns deshalb inkonsquent zu finden. Diese Souveränität im Umgang geht aber noch viel tiefer.
Nun habe ich die Zeit, täglich mit ihr durch den Wald zu streifen, und das immer wieder steigernd länger und ausdauernder. Immer wieder deshalb, weil es „Aussetzer“ gibt. Die beunruhigen mich mehr als sie. Dann hat sie mit den Buben im wilden Spiel draußen zu viel getobt und hat manchmal Mühe, überhaupt einen Schritt vor den anderen zu setzen. Diametral spiegelgleich zu meiner großen inneren Sorge nimmt sie auch das hin – es ist wie es ist. Es schmerzt mit Sicherheit, aber es ist eben so. Ich gebe ihr im schlimmsten Fall Schmerzmittel, damit sie durch Entlastungshaltungen nicht noch zusätzlich verspannt…und dann wird es wieder. Dann fängt unser Wanderzyklus wieder an…erst kürzer Strecken, aber dann auch wieder eine Stunde und mehr. Die Arthrose, die wir ja nun beide haben, freut sich enorm über die regelmäßige moderate Bewegung. Und es ist erstaunlich, wie wir uns einlaufen, spätestens nach 30 Minuten sind wir im Flow.
Zeitweise habe ich begonnen, bei unseren Wegen Fotos zu machen von dem Zauber der uns umgebenden Natur, das findet sie cool, weil es da auch immer Keks gibt, wenn sie so freundlich abwartet, bis es weitergeht.
Aber was mich am meisten beschenkt ist diese gemeinsame Stille…..manchmal den ganzen Weg über. Dieses miteinander nebeneinander…und im Grunde hängen wir unseren Gedanken nach, sind jede mit ihren eigenen Interessen beschäftigt (sie mit Zeitung lesen an den Haufen unterwegs, ich mit dem Spüren der Luft und des Bodens unter meinen Füßen) – und gerade darin sind wir so fein und eng verbunden, wie es wohl nur mit Pferden oder anderen Tieren geht. Das ist eine Verbindung jenseits menschlicher Sprache und Erklärbarkeit…ein Sein im Jetzt. Natürlich hatten wir reitend auch schon früher ähnliche Erfahrungen miteinander – aber für dieses bewusste Erleben dieser gemeinsamen und stillen Absichtslosigkeit brauchte ich mein Alter wohl – und diese schlichte Klarheit, von ihr nichts mehr zu „wollen“…eine Befreiung ins Zauberland der Freundschaft ohne Worte.
Und so „ganz nebenbei“ hat unsere Tierärztin bestätigt, dass Buckle durch das tägliche Wandern noch einmal sichtbar muskulär profitiert.
Mehr über Lydia und ihre Pferde und die wundervollen Pferde-Ikonen, die sie malt, findest du hier: https://www.pferde-ikonen.de/