Meine Mutter spinnt

„Easy Siglavy Elfes“

von Lia Wälti aus der Schweiz und dem Elsass


Lia erzählt:


Meine Mutter Antoinette spinnt! Wir haben doch schon elf eigene Pferde/Ponys und jetzt auch noch ein Lipizzaner-Stutfohlen!? Alles begann eigentlich damit, dass sie für unsere Praktikantin Andrea ein Pferd kaufen wollte, damit Andrea etwas hatte, wofür sie die Verantwortung übernehmen könnte.
Sie zeigte mir hunderte Fotos von diesen Lipizzanern, aber wirkliches Interesse daran hatte ich eigentlich nicht! Das lag daran, dass wir bereits einen sechzehnjährigen Lipizzaner, Neapoletano Romanetta, genannt „Orion“, in Besitz haben. Ich selbst wollte nie einen Lipizzaner. Ich dachte immer, schön und toll sind sie ja schon, diese Lipizzaner, aber immer Schimmel! Nein, besser nicht. „Orion“ ist mir schon genug zum Putzen und dann noch die drei Berber-Stuten meines Vaters! Und sowieso habe ich ja schon zwei Pferde, ein Shetty und ein Maultier! Meine Crew ist komplett!


Mit „Orion“ habe ich immer ‘ne Menge Spaß und auch eine Riesenfreude an ihm. Er ist das perfekte Familienpferd für uns, aber meinem Araber „Amir“ kann nun mal keiner das Wasser reichen, so edel, wild und wunderschön ist er mit seinem rot-gold glänzenden Fell, seiner Mähne und dem Schweif! Einfach zum Verlieben! Aber ich hatte ja nicht mehr so viel zu sagen, denn meine Mutter ist nicht gerade, ähem – wie soll ich sagen…, naja, sie macht schon was sie will! Mein Vater sagte dann auch nur zu ihr: „Du machst doch sowieso was du willst!“. Und eigentlich hatte sie schon eine Idee, welches Pferd es sein sollte, nämlich die kleine Emeraude“ Siglavy Elfes. Doch es kommt ja nie so, wie man es gerne hätte, nicht wahr?


Dann kam der Abreisetag – meine Mutter und Andrea fuhren gemeinsam mit Andreas Vater und einem Mädchen namens Michelle nach Réalville, um dort die Pferde anzusehen und die richtigen auszusuchen. Mein Vater und ich blieben Zuhause, wir mussten ja unseren „Zoo“ versorgen!“

Easy“ erzählt:


Geboren bin ich am 1. April 2014, genau am selben Tag und am selben Ort wie „Electron“, mein großer Freund. Wir sind also quasi gleichzeitig auf die Welt geplumpst im bereits insolventen Lipizzaner-Gestüt „des Elfes Blancs“ und etwas ganz Spezielles verbindet uns – denn auch heute noch sind wir fast immer im Doppelpack anzutreffen.“

„Dass wir nun auch gemeinsam auf Al Nour aufwachsen dürfen ist schon irgendwie schicksalhaft. Wir waren nämlich beide schon mal verkauft, waren zwei der ersten E-Elfen, die damals freigekauft wurden und zwar auch gemeinsam.
Dann aber, genau an dem Tag, an dem Antoinette mit Andrea und Michelle in Réalville war, wurde dieser Kauf rückgängig gemacht. Demnach musste etwas sehr Schlimmes passiert sein, die Tochter der Käuferin, ein schwerer Unfall…, so habe ich‘s gehört.
Nun, jedenfalls wurden wir beide, „Electron“ und ich, von den bereits verkauften Fohlen zu den noch unverkauften zurückgebracht. Und dort haben uns Andrea und Michelle dann auch gesehen.


Andrea kam also zu uns in die Gruppe der freilaufenden Hengstfohlen und setzte sich ganz hinten auf einen Holzbalken, sah uns zu. Sie zog mich sofort an, wie soll ich sagen – wie ein Magnet. Ich bin durch den ganzen langen Laufstall in schnurgerader Linie auf sie zugegangen, gelaufen und angehalten, sie angeguckt. Weitergelaufen, wieder geguckt. Drei Meter vor ihr bin ich stehen geblieben und wir haben uns lange, ganz lange angesehen. Für Andrea war der Fall klar – ich sollte es sein. Naja, hübsch anzusehen war ich immer schon, keine Frage, daran konnte es also nicht scheitern.
Zeitgleich hatte sich Michelle entschieden, dass „Electron“ ihr Pferd werden wird und so kam es, dass wir wieder gemeinsam in so eine fahrende Kiste geladen wurden und losgeholpert sind. Schliesslich kamen wir auf der Pferdeweide Al Nour im Elsass an. Das war am 11. April 2015, da waren „Electron“ und ich also bereits ein Jahr alt.


Lia erzählt:


Meine Mutter konnte „Emeraude“ also nicht dort lassen! Naja, war ja eigentlich logisch… Aber – es ärgerte mich! Mein Vater und ich sahen die kleinen Lipizzaner zum ersten Mal an einem sonnigen Tag im April. Sie waren mit Fressen beschäftigt. So dünn sahen sie aus und schwach und noch völlig erschöpft von der langen Fahrt. Ich setzte mich auf die Weide und beobachtete die Kleinen. Irgendwann brachten wir Ihnen Futter, anfangs knabberten sie nur ein wenig daran, doch schnell kamen sie auf den Geschmack. Man konnte sie nicht anfassen, aber von Tag zu Tag wurden sie ein wenig zahmer. Die Zeit verging wie im Flug. Ich hatte nicht wirklich viel mit den Lipizzanern zu tun, ein wenig füttern und streicheln wo es möglich war ja. Aber ansonsten nichts. Und „Easy“ war für Andrea gedacht. Ich hatte auch nie das Gefühl, dass mich etwas mit ihnen „verbindet“. Ich kümmerte mich mehr um meine Vier und natürlich um den Mist!
Eine Zeit lang ging das so, doch dann kam die Katastrophe mit Andrea, sie drehte vollkommen durch! Obwohl wir wussten, dass so etwas jederzeit passieren könnte, war es ein Schock für uns. Sie wurde dann auch in eine Psychiatrische Klinik eingewiesen. „Easy“ hatte somit niemanden mehr, der sich um ihn kümmerte. Klar, wir schauten, dass es ihm soweit gut ging, aber es war niemand da, der sich ganz speziell mit ihm beschäftigte.
Dann kam der Tag, an dem wir die beiden Jungs, „Easy“ und „Electron“, von ihren Kolleginnen trennten und sie auf eine separate Weide brachten. Die kleinen Stuten kamen anschließend in die große gemischte Gruppe auf die Weide. Erste Herausforderung das Halfter anziehen. Bei „Easy“ brauchte ich nicht lange, mit „Electron“ war’s deutlich schwieriger. Und dann weigerte er sich mitzulaufen und ist nur noch gestiegen. Da war nichts zu machen.
Auch für Futter interessierte er sich in diesem Moment gar nicht mehr. Ich ging mit „Easy“ mal voraus – mit einem Futtereimer bewaffnet. „

„Easy“ und ich kamen ohne Probleme bis zum Ausgang, doch ab dort wollte auch er nicht mehr weiter. „Electron“ kam nur langsam, ganz langsam näher – die „Zeremonie“ dauerte fast eine Stunde, und es waren circa dreißig Meter – und als er dann auch beim Ausgang war, hatte ich „Easy“ schon davon überzeugt, dass man durch den Ausgang weiter gehen kann. „Electron“ kam schließlich frei laufend mit, hatte das Halfter aber an. Inzwischen war alles so abgesperrt und gesichert, dass er nirgends entwischen konnte. Für den Weg zur neuen “

„Weide selbst brauchten wir nur noch fünf Minuten. Das alles wäre ja nicht so schlimm gewesen, aber es regnete wie aus Eimern und ich war am Ende total durchnässt – und das trotz meiner wasserdichten Regenjacke!
Aber wie meistens hat alles Geschehen auf irgendeine Art auch etwas Gutes – denn als ich mit „Easy“ eine Stunde lang zusammen war, mit ihm übte und ihn anflehte, er möge doch bitte jetzt endlich mitkommen, damit wir aus dem Regen herauskämen, da hatte ich mit einem Mal das Gefühl, dass er mich verstanden hat.
Anfangs dachte ich, das sei nichts Besonderes, aber ich begann, mich für ihn verantwortlich zu fühlen. Ich wollte nicht, dass er sich allein und „im Stich gelassen“ vorkomme, jetzt, wo Andrea wieder in der Klinik war. Ich kümmerte mich um ihn und begann, mit ihm zu üben – Halfter anziehen, führen, Hufe geben.“

„Easy“ wurde mir immer wichtiger und irgendwann fühlte sich der Umgang mit ihm fast schon so an, als sei er mein eigenes Pferd.


Easy erzählt:


Als wir nach dieser langen „Reise“ wieder aus dieser Kiste aussteigen konnten, waren wir ganz erschöpft.
Ich war und bin eher klein, sagen die Leute, ich allerdings fühle mich wohl mit meiner Größe. Immerhin gehe ich vorne weg, wenn was Aufregendes passiert ist, und der große „Electron“ klebt an meinem Schweif… Und bestimmt nicht deshalb, weil der so schön seidig und voll ist, mein Schweif…
Anfangs waren wir alle ziemlich fertig und hungrig. Ich und Electron waren jedoch die fittesten in der Truppe. Nur anfassen lassen wollte ich mich nicht. Nein, nein.
Ich gebe zu, das ist mittlerweile anders. Ich bin ein großer Schmuser geworden, hab‘ als Erster von uns entdeckt, dass es diese Kraulstellen gibt, diese versteckten, an die man selbst nicht richtig hinkommt, so unten am Hals zum Beispiel – mh, das kann ich genießen.


Antoinette erzählt:


Andrea verbrachte größtenteils glückliche Tage mit den kleinen Lipizzanern. Allerdings war sie traurig, dass sie „Easy“ noch nicht streicheln konnte.
Dann, Ende April, erlitt Andrea wieder einen Zusammenbruch. Sie hatte ja seit ihrem zwölften Lebensjahr den überwiegenden Teil ihrer Zeit in Kliniken verbracht, war vollgepumpt mit Psychopharmaka und auch abhängig von Schlafmitteln. Ein erneuter Aufenthalt in einer Psychiatrischen Klinik war leider unumgänglich. Es sollte das letzte Mal gewesen sein, dass sie ihren „Easy“ sah.

„Vor diesem Hintergrund war es für mich in dieser Zeit unvorstellbar, für „Easy“ neue Besitzer zu suchen. Und heute ist es dafür zu spät. Zu sehr haben wir uns in ihn verliebt, er gehört nun zur Familie.
Das Leben geht manchmal verschlungene Wege.“

Lia erzählt:

„Easy“ hat sich toll entwickelt, er ist eher klein, aber bildschön. Er ist sehr aufmerksam, cool, gelehrig und ausgesprochen charmant. Wir üben schon kleine Kunststücke und gehen ein wenig spazieren. „Easy“ und „Electron“ sind immer noch beste Freunde, der kleine Helle und der große Dunkle, ein süßes Paar. „Easy“ hat mein Herz erobert und ich hoffe, dass wir für immer zusammenbleiben können.


LANG LEBEN ALLE ELFEN!“

Fähigkeiten

Gepostet am

16. April 2022