Tari stand also mit seinen Hengstfohlenkumpels in der grossen Laufhalle und mümmelte am harten Heu. (Um zu lesen was vorher geschah klick hier.)
Auch er spürte den eisigen Hauch des Todes, der die ganze riesige Anlage umspielte.
Aus der Traum – alles muss weg
Das Zentrum „des Elfes Blancs“ war für viel Geld gebaut worden mit dem Ziel Pferdesport der Weltklasse, Zucht und Reitunterricht unter ein Dach zu bringen. Die ersten Jahre lief es gut, der eine Teilhaber wurde auch Meister im Gespannfahren. Aber dann fing es an zu bröckeln, ein Partner stieg aus und nun, 2013 war sie amtlich besiegelt, die Insolvenz. Die grosse Anlage sollte neue Besitzer finden, es gab Pläne für einen Golfplatz – und die über 300 Pferde mussten weg.
Ende September lief die Frist der Bank aus – bis dahin sollte die Anlage leer sein. Für fast alle Pferde würde das den Tod bedeuten.
3 Frauen mit einem gewagten Plan
Nun begab es sich zu dieser Zeit – hier beginnt der märchenhafte Teil – dass zwei Frauen auf einer Terasse mit Aussicht auf die grasenden Pferde sassen und die eine sagte zu anderen: „In drei Wochen werden die alle geschlachtet.“
Nein oder, das darf doch nicht wahr sein?
Die fieberhafte Suche nach anderen Lösungen begann. Und ein Plan fing an zu reifen.
Als erstes musste die Bank davon überzeugt werden, den Termin zu verschieben, damit Zeit bieb, um wenigestens einen Teil der Pferde in neue Hände zu verkaufen.
Wie überzeugt man eine Bank? Mit Geld!
Aha und woher Geld nehmen? Die beiden Frauen hatten eine gemeinsame Freundin, die vielleicht bereit sein würde, zu helfen? Und tatsächlich: Die gemeinsame Freundin kaufte 58 Pferde und mit der Summe, die sie dafür zahlte, konnte die Bank davon überzeugt werden, die Frist auf Ende April zu verlängern.
Und nu? Facebook!
Man mag ja über Facebook sagen was man will, aber diese Aktion wäre ohne Facebook nicht denkbar gewesen. Und heute kann ich rückblickend sagen, dass das nicht nur ein Glück für viele Pferde war, sondern auch für viele Menschen. Wunderbare Menschen, viele auch Pferdefachleute, wer hätte das gedacht, die sich dieser „Hascherl“ annahmen. Aber zurück zum Spätherbst 2014.
Es wurde eine Seite eingerichtet, die „Schlachthaus der Lipizzaner“ hiess – ein fürchterlicher Name. Die Hoffnung war, dass so vielleicht die Hälfte der Pferde neue Besitzer finden würden, der Rest müsste dann halt über die Klinge springen, aber man hätte es wenigstens versucht.
Tari übrigens stand immernoch in der Laufhalle mit seinen Kumpels und kaute Heu – nicht mehr aber auch nicht weniger.
Währenddessen wurden Pferde fotografiert, ihre Namen herausgesucht – alles über den Chip, unendlich kompliziert, auch weil die Pferde nicht unbedingt das waren, was man als handzahm bezeichnen könnte. Auf dem Foto oben ist übrigens Emeraude Siglavy Elfes, eine zarte kleine Prinzessin, die wie Tari und alle anderen einem sehr ungewissen Schicksal entgegenblickte. Natürlich bemühte man sich, die Pferde möglichst nett aussehen zu lassen auf den Fotos, ist ja auch legitim – und es ging ja darum, ihr Leben zu retten. Weil mit solchen Fotos wie unten, naja, schwierig.
Also wurden Dossiers angelegt mit den Fotos und den zugehörigen Papieren – und auf Facebook veröffentlicht.
Es bildete sich eine immer grössere Schar von Menschen, die das Schicksal der Pferde nun mitverfolgte. Schlaflose Nächte auf allen Seiten, der Stein war ins Wasser geworfen und begann grosse und immergrössere Kreise zu ziehen.
Schon die Ahnen von Tari und Rebecca wurden in einer Grossaktion gerettet
Als Lipizzaner gehören die Zuchtstute Rebecca und ihr Sohn Tari zur ältesten Kulturpferderasse Europas, die auf 400 Jahre bewegte Geschichte zurückblickt.
Schon mehrmals war die Rasse in existentieller Not – hier findest Du einen dreiteiligen Bericht über die dramatische Evakuation der Lipizzaner aus Hostau am Ende des 2. Weltkrieges.
Unabhängig von der Geschichte dieser Rasse finde ich persönlich, dass sie sich nicht nur im Körperbau von anderen Pferden unterscheiden, sondern speziell auch in ihrem Charakter und Wesen. Sie sind zwar durchaus „hart im Nehmen“, auch was widrige Lebensumstände angeht – und haben doch so eine unglaubliche Würde und ein grosses Selbstbewusstsein.
Die Würmer und das nicht so gehaltvolle Futter forderten ihren Tribut, vor allem von den Jüngsten, also von Tari und seinen Freunden. Für Tari und einige andere sollte es noch schlimmer kommen, doch davon im 3. Teil.