Die Geburt eines Elfenprinzen – Teil 1 von „Ein Pferd namens Tari“

Das braune Hengstfohlen mit der schmalen Blesse und den drei weiss gestiefelten Beinen gleitet ins saftige Gras. Seine weisse Mutter Rebecca begrüsst ihren neugeborenen Sohn mit einem leisen Blubbern und gemeinsam schälen sie ihn aus der Fruchtblase.

Eine Stunde später – nach einigen Versuchen, die mit einem unsanften Plumps ins Gras geendet hatten – tragen seine überlangen staksigen Beine ihn zum ersten mal erfolgreich zur Milchquelle zwischen den Hinterbeinen von Rebecca. Er ist ihr achtes Fohlen – Rebecca ist eine erfahrene Zuchtstute.

Königliche Lipizzaner – innerlich

Eine stolze Lipizzaner-Stute ist Rebecca vor allem in ihrem Wesen. Ihr Körper ist mager und ausgemergelt. Der kleine Hengst labt sich an dem warmen Kolostrum, der ersten Milch, die ihn mit Abwehrstoffen vesorgt und dabei hilft, die Verdauungstätigkeit in Gang zu setzen. Dann ist er sofort wieder sehr müde, die Beinchen zittern vor Anstrengung und so lässt er sich wieder ins Gras fallen.

Auf derselben Weide stehen noch viele andere Zuchtstuten, die meisten auch Lipizzaner und bis auf eine Braune sind alle Schimmel und viele schneeweiss. Einige haben viele kleine braune Tupfen – das sind die sogenannten Fliegenschimmel. Die rund 20 Fohlen springen lustig herum. Sie sind schon etwas älter als der kleine Hengst, der später Tari gerufen werden wird. Sie haben ihre langen Beine bereits bestens im Griff, sind braun, schwarz und fuchsfarbig in allen Schattierungen. Erst später werden die meisten mit jedem Haarwechsel etwas heller werden und schliesslich auch weiss wie ihre Mütter und Väter. Sie spielen und rennen um ihre Mütter herum wenn sie nicht gerade lang ausgestreckt im saftigen Frühlingsgras Südfrankreichs schlafen oder mit trinken oder fressen beschäftigt sind.

Die Idylle trügt

Das Gestüt mit dem wundervollen Namen „des Elfes blancs“ – also von den weissen Elfen – steht vor dem Konkurs. Geld fehlt an allen Enden – für Futter, für die medizinische Versorgung und auch für die Löhne der Angestellten. Und es sind viele Pferde zu versorgen, mehr als 300.

Von all dem wissen Tari und seine Fohlenfreunde nichts. Sie spüren schon, dass ihre Mütter müde sind.  Wie Mamas das in allen Spezies und überall auf der Welt tun, geben die Stuten alle vorhandene Kraft in die Versorgungn ihrer Kinder. Um die Milchmenge zu steigern bauen sie auch Muskelmasse ab. Von aussen zu erkennen an den hervorstehenden Dornfortsätzen der Wirbelsäule auf dem Rücken.

Fohlen wachsen enorm rasch und brauchen viel Nahrung. Bis zum Ende des ersten Lebensjahres erreichen gesunde Fohlen bereits 90% ihrer späteren Höhe. Deswegen kommen sie auch im Frühling zur Welt wenn das nahrhafte Frühlingsgras die Pferde reichlich ernährt.

Taris ausgesprochen liebevolle Mutter Rebecca ist allerdings noch von ihrem letzten Fohlen ausgemergelt und hat den Winter über von dem Heu, das sie bekommen hat, ihre Speicher noch nicht wieder auffüllen können. Gleichzeitig wuchs bereist ihr nächstes Fohlen, also Tari, in ihrem Bauch heran.  Die vielen Darmparasiten, also die Würmer in ihrem Darm schwächten sie noch zusätzlich.

Der grosse Schock

Dann kam der Tag im späten Herbst, an dem die Fohlen von ihren Müttern getrennt wurden. So wie das in den meisten Gestüten geschieht. Sie werden mit grosser Wahrscheinlichkeit ihre Mütter nie wieder sehen.

Die Hengstfohlen werden gemeinsam in einem grossen Bereich einer Halle aufgestallt und die Stutfohlen daneben ebenso. Alles ist anders, keine Mama mehr und auch keine Milch, kein Gras. Was bleibt sind die Kumpels und die Würmer im Bauch.

Das Leben der Lipizzaner von den weissen Elfen hängt an einem seidenen Faden

Wie können sie gerettet werden vor dem Schlachter, der bereits ein Angebot abgegeben hat für die ganze Herde von rund 300 Pferden. Das erfährst Du nächste Woche in Teil 2. 

Fähigkeiten

Gepostet am

12. Dezember 2015

1 Kommentar

  1. Carsten Roby

    Liebe Antoinette!
    Ich bin fasziniert von der Geschichte und finde es Grandios wie Du das schreibst! ! Man kann die Besonderheiten dieser Pferde und der Geschichte der Lipizzaner nicht besser beschreiben. Ich habe erst den zweiten Teil gelesen und musste mir dann auch den zweiten Teil lesen. Mir lief ein schauer nach dem anderen über den Rücken! Und, ja, wir sind uns nicht Klar darüber wer mehr Glück hatte, unser Elf oder Wir!!! Ich freue mich auf Teil 3 und danke Dir

    MIT FREUNDLICHEN GRÜßEN

    Carsten Roby

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