Zu positiver und negativer Verstärkung
Ich verfolge interessiert die Diskussionen um die Lerntheorie, bzw. deren Anwendung im Pferdetraining. Also positive und negative Verstärkung bzw. positive und negative Strafe.
(Kurze Erläuterung: Positive Verstärkung ist in der Lerntheorie das Hinzufügen von etwas Angenehmem (Futterlob zum Beispiel), negative Verstärkung das Wegnehmen von etwas Unangenehmem (Druck zum Beispiel)).
Druck – was ist das? Geht es überhaupt ohne und wie beeinflusst er das Wohlbefinden meines Pferdes? Und so weiter.
Und bei all diesen Diskussionen beschleicht mich regelmässig das Gefühl:
Das Wichtigste fehlt da – irgendwie.
Es geht mir dabei so ähnlich wie damals vor 30 Jahren im Biologie-Studium beim Thema Genetik (mein Diplomthema).
Ich hatte da auch so ein Gefühl, dass das was ich da gelernt habe mit DNA und Chromosomen und Vererbung und Genen einfach irgendwie nicht alles sein kann.
Nicht dass es falsch wäre, aber unvollständig. Es kann nicht alles sein, im Sinne von, ich kann mir nicht vorstellen, dass Vererbung nur daraus besteht.
Ich stellte dann die Theorie auf, dass möglicherweise die mitochondriale DNA viel mehr mitspielen und würde und auf eine Weise, die wir noch nicht verstanden hätten. (Mitochondrien sind Zellorganelle, die ebenfalls DNA enthalten).
Und genauso geht es mir mit der Lerntheorie
Mein Gefühl sagt mir, dass das nicht alles sein kann. Ich gehe sogar so weit, dass ich behaupte, mit jeder „Methode“ kann ein Pferd glücklich werden. Einfach weil ich es so beobachtet habe.
Und ich oute mich jetzt hier mal als immer schon bekennende „Natural Horsemanship – Skeptikerin“. Ich mochte das einfach nie und als ich mich mal mit den 7 „Spielen“ (Spiele? was bitte daran hat mit spielen zu tun, das ist alles todernst) befasst habe, hab ich mich dann gefragt, wie Raphaël das denn alles gelernt hat ohne die 7 Spiele und festgestellt, dass das unser Muli Walter nur sehr sehr skeptisch macht und keinesfalls kooperativer.
Dennoch, ich kenne eine junge Frau im Nachbardorf, die ihre Freibergerstute mit dieser Methode ausgebildet hat und die beiden strahlen um die Wette.
Was ich sonst so sehe an Vorführungen und im Internet, lässt mein Herz weniger hoch schlagen. Aber sind die beiden nicht ein Beweis, dass ein Pferd trotzdem glücklich sein kann?
Vielleicht weil das Fundament passt, das Wichtigste?
Also: Die Lerntheorie stimmt UND es fehlt was. Ich stelle die Vermutung an, dass es sich um die schwer in Worte zu fassende gefühlsmässige Verbindung handelt. Gefühle und Emotionen und eben das, was das Fundament der Ausbildung bildet. Das Wort „Liebe“ möchte ich in diesem Zusammenhang nicht weiter strapazieren.
Dort vermute ich den fehlenden Teil
In diesem unangenehm schlecht definierbaren Teil von uns – in dem Pferde einfach so zu Hause sind. In dieser Welt der Empfindungen. Die tiefer gehen, als die von den Wissenschaftern in die Lerntheorie eingebundenen „Freude, Spass“, „Frustration Ärger“, „Erleichterung“ und „Angst oder Stress“.
Ich versuche ab und zu mir vorzustellen, wie es sich denn für mein Tier anfühlt, wenn es sich „entscheidet“, etwas zu tun oder eben nicht zu tun. Also ob der Hund kommt, wenn ich rufe.
Wie fühlt sich das an? Weil nachdenken tut er eher nicht.
Ich lag übrigens bei der Genetik falsch – es ist noch viel verrückter
Meine Vermutung über den Einfluss der mitochondrialen DNA war zwar nicht ganz falsch (sie spielt bei der mütterlichen Vererbung eine Rolle) aber es ist wie in der Zwischenzeit klar wurde, noch viel spannender als ich es mir damals vorgestellt hatte.
Vielfältiger, unglaublicher – es gibt heute einen Wissenschaftszweig dafür, der sich Epi-Genetik nennt. Und da hat sich gezeigt, dass Erlebnisse, Gefühle und Emotionen die Struktur der Gene und damit ihre Ausdrucksweise beeinflusst. Und dass das sogar vererbt werden kann.
Ist das nicht verrückt?